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Schluss-Schock der Dusel-Domstädter

SCV kassiert trotz bester Saisonvorstellung erste Niederlage in der 90. Minute

Von Uwe Caspar und
Wolfgang Wotke (Fotos)
Verl (WB). Die letzte Sekunden verrinnen an der Poststraße. Statt lieber einen als keinen Punkt zu haben, rennen fast alle Verler Akteure nach vorne und vergessen dabei, den eigenen Strafraum abzusichern. Und so viel Risiko wird bitter bestraft: Der eingewechselte Marius Sowislo versetzt Marius Rogowski und krönt sein Solo mit dem Siegtreffer zum 2:1.

Hammerhart. Ein Keulenschlag für die Hausherren, die doch den Gegner lange Zeit klar beherrschten. Bereits der dritte Last-Minute-Treffer der Preußen aus Münster. Ihr Fußball-Fortune ist fast schon unverschämt.
Aber ist es wirklich nur pures Glück, wenn man wie die Dusel-Domstädter nun schon zum dritten Mal in der noch jungen Saison erst unmittelbar vor dem Abpfiff beziehungsweise in der Nachspielzeit das entscheidende Tor macht? Selbst Mario Ermisch meldet da inzwischen seine Zweifel an.
»Ich glaube, dass der Begriff mit dem sogenannten Papst in der Tasche eine neue Bedeutung erhält. Denn man kann nicht immer nur Glück haben«, rätselte der um Fassung ringende SCV-Trainer nach dem Schluss-Schock. Die Glücksritter aus Münster bleiben also auch nach sieben Einsätzen weiter ungeschlagen, während Verl die erste Niederlage ausgerechnet vor heimischem Publikum einstecken musste.
Dabei lieferten die Schwarz-Weißen gestern Nachmittag bei wunderschönem Spätsommerwetter und vor großer Kulisse (rund 3000 Zuschauer) ihre bis dato beste Saisonvorstellung ab. »Der SCV hat eine imponierende Leistung gezeigt«, räumte auch der faire Preußen-Coach Georg Kreß ein. Vor allem in der ersten Halbzeit heizten die Ermisch-Schützlinge den Gästen tüchtig ein. Kaum zu stoppen die beiden kleinen Flügelflitzer: Auf der linken Seite wirbelte »Heini» Schmidtgal, rechts war es Temel Hop, der seinen Bewacher Dirk Caspers nicht nur einmal anfängerhaft aussehen ließ.
Dabei sollte Hop gar nicht beginnen. Aber weil sich Jörg Bode nach dem Aufwärmen abmelden musste (wieder Adukktorenprobleme, schlüpfte im letzten Moment der Nachwuchskicker in die Mannschaft. Trotz seiner erst 19 Lenze trumpfte Temel enorm selbstbewusst auf. Die Frechheit des kessen Youngsters bekam sogar der fast 20 Jahre ältere Ansgar Brinkmann in einer bezeichnenden Szene zu spüren: Direkt vor der Tribüne schnappte Hop dem mit allen Wassern gewaschenen Profi den Ball weg - das grenzte fast schon an Majästätsbeleidigung.
Zu den Zeitpunkt führte der mit Druck und Elan auftrumpfende SCV schon völlig verdient mit 1:0 - nach einer erfolgreichen Co-Produktion der beiden Außen. Die Preußen dagegen bieder, harmlos und torungefährlich. Mit Ausnahme eines gefühlvollen Hebers von Brinkmann, den Marco Kirchhoff im Flug aus dem Winkel boxte, blieb Münster chancenlos.
Das änderte sich auch dem Seitenwechsel vorläufig nicht. Verl kontrollierte weiter die Partie, vergaß aber, die zweite Bude zu machen. Rogowski und Dayangan (53./55.) verpassten jeweils die günstige Gelegenheit, den Sack zuzumachen. Doch es deutete sich schon an, dass die taktischen Umstellungen von Kreß (Meyer raus, Toku ein und Piorunek in die Spitze) greifen würden. So kam's denn auch: Gleich die erste richtige Chance nutzte Thomas Piorunek zum Ausgleich (62.), die zweite sich ihm bietende kurz darauf zum Glück nicht: Kirchhoff warf sich ihm rechtzeitig vor die Füße.
Fortan entwickelte sich ein munterer Schlagabtausch, bei dem die Gastgeber bis auf die letzten zehn Minuten dem 2:1 näher waren als der Regionalliga-Absteiger. Schade, dass Schmidtgal ein nettes Geschenk von Michael Joswig nicht annehmen mochte: Der SCP-Keeper servierte ihm einmal den Ball maßgerecht vor den Fuß, der Verler schob indes die Pille am Pfosten vorbei. Und schade auch, dass der sehr günstig stehende Carlos Castilla seinen Kopfball direkt in Joswigs Arme schob.
Doch die Schlussphase gehörte den plötzlich powernden Preußen. So köpfte unter anderem Gurzynski an die Latte. Ein Warnung, den aber die Verler ignorierten. Auch sie wollten das Glück zwingen, das aber mal wieder den Preußen hold sein sollte.

Artikel vom 25.09.2006