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Koalition gibt sich noch Zeit

Bis Ende Oktober soll der Streit um die Gesundheitsreform beendet sein

Berlin (dpa). Der Koalition droht weiteres wochenlanges Gezerre um die Gesundheitsreform. Bei der angestrebten Lösung des verfahrenen Streits innerhalb eines Monats setzt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf neue Vorschläge.

»Es stehen noch einige Punkte, die sehr kontrovers sind, jetzt aus, und dort wird man in den nächsten vier Wochen noch intensive Gespräche führen«, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm gestern in Berlin. Angestrebt sei eine Entscheidung des Kabinetts in der zweiten Oktoberhälfte.
Unionsländer wollen eigene Vorschläge zur strittigen Umgestaltung der privaten Krankenversicherung machen. Der Knackpunkt der Zuzahlungsgrenze soll mit Hilfe zweier externer Experten gelöst werden. Der Streit um diese Grenze ging weiter.
»Es wird am Ende eine Reform stehen, zu der alle drei Seiten stehen können«, versicherte Wilhelm mit Blick auf die Auseinandersetzungen von CDU, CSU und SPD. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla betonte im ZDF: »Wir stehen Millimeter vor einer Lösung.« SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles begrüßte die Äußerung Pofallas und verlangte von der Union zugleich Vertragstreue.
Bayern und andere Unionsländer wollen eigene Formulierungen zu den umstrittenen neuen Regeln für die Privatversicherungen vorlegen, wie Wilhelm bestätigte. Damit wollen die Länder die Gesetzesarbeit im von Ulla Schmidt (SPD) geführten Gesundheitsministerium »etwas kontern«, wie CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer vor einer Sitzung der CSU-Spitze in München sagte.
Schmidt wird von Teilen der Union vorgeworfen, auf Biegen und Brechen SPD-Ziele durchsetzen zu wollen. Merkel und die Länderchefs der Union hatten vereinbart, dass die Länder bis zur Wochenmitte darlegen, wie sie von der Reform betroffen sind.
CSU-Chef Edmund Stoiber forderte, die Debatte mit »weniger Aufgeregtheit« zu führen. Eigene Gesetzentwürfe seien nicht geplant, versicherte Ramsauer. Heute treffen sich in Berlin erneut die Gesundheitsexperten von Union und SPD.
Jeweils ein von der Union und von der SPD benannter Experte sollen für die Schlichtung eines zentralen Streitpunkts sorgen. Sie sollen vorschlagen, wie die umstrittene Grenze für mögliche Zuzahlungen »praktikabel umgesetzt« werden kann, bekräftigte Wilhelm. Da die Union diese für die SPD aus sozialen Gründen zwingende Obergrenze von einem Prozent des Haushaltseinkommens als Grundsatzproblem für den Fonds betrachtet, wurde dieser Konflikt zuletzt teilweise als Gefahr für den Fortbestand der gesamten Koalition angesehen.
Pofalla betonte, die Ein-Prozent-Klausel funktioniere nicht, weil ineffiziente Krankenkassen in den Ruin getrieben würden. »Das würden vor allem AOKs sein.« Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer sagte: »Ein solches Problem ist lösbar.« Böhmer schlug vor, die Grenze nur leicht auf 1,5 Prozent anzuheben.
Auch nachdem mehrere Unionsministerpräsidenten die Reform in Frage gestellt hatten, ist unklar, ob die Länder dem Vorhaben im Bundesrat überhaupt zustimmen müssen. Der in Arbeit befindliche Gesetzentwurf »ist als zustimmungspflichtig angelegt, kann aber auch zustimmungsfrei gemacht werden«, sagte Schmidt-Sprecher Klaus Vater.
Trotz der andauernden Querelen um die Gesundheitsreform erwartet auch Stoiber eine Einigung im Oktober. Bayern und andere unionsregierte Bundesländer wollen eigene Formulierungsvorschläge für den Gesetzentwurf präsentieren. Spitzenbeamte aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg arbeiteten daran mit.
Stoiber kritisierte Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) scharf, der die Ministerpräsidenten zur Zurückhaltung in der Debatte aufgefordert hatte: Es stehe Müntefering nicht zu, »erfolgreiche Ministerpräsidenten zu schulmeistern«.

Artikel vom 26.09.2006