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Gesundheitsstreit geht weiter

Merkels Spitzengespräch mit SPD-Chef Beck bringt keinen Durchbruch

Berlin (Reuters). Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Kurt Beck haben in einem Krisengespräch am Freitag keinen Durchbruch im Koalitionsstreit um die Gesundheitsreform erreicht.

Nach ihrem knapp einstündigen Treffen im Kanzleramt ließen sie offen, wie eine Einigung im Hauptstreitpunkt, der geplanten Zusatzbeiträge der Versicherten, aussehen soll. Beck beharrte ausdrücklich auf der Deckelung bei einem Prozent des Haushaltseinkommens, was die Union ablehnt.
Merkel vermied eine Festlegung und bekannte sich nur grundsätzlich zu einer Begrenzung. Beck griff erstmals die Unionsforderung auf, die Regelung müsse praktikabel umgesetzt werden. Die Spitzen der Koalition wollen nun mit Experten nach einer Lösung suchen.
Zugleich bekannten sich Beck und Merkel ausdrücklich zu der Reform als zentralem Projekt der großen Koalition. Das konkrete Vorgehen im Streit um die Zusatzbeiträge blieb nach dem Treffen im Kanzleramt offen. Wann die Spitzen der Koalition mit den Sachverständigen über eine Lösung beraten sollen, wurde nicht mitgeteilt.
Die Anfang Juli mühevoll von CDU, CSU und SPD ausgehandelten Eckpunkte sehen vor, dass die Kassen zu den nach Einkommen gestaffelten Versicherungsprämien je nach Wirtschaftslage einen Zusatzbeitrag erheben können, der maximal ein Prozent des Haushaltseinkommens betragen kann.
Merkel und Beck machten klar, dass dieser Punkt ungelöst sei. »Die Ein-Prozent-Regelung steht«, sagte Beck. Die SPD sieht in dieser Vereinbarung einen Erfolg für sich, weil damit eine finanzielle Überforderung ärmerer Menschen verhindert werde. Merkel dagegen bekannte sich nur im Prinzip zu der Schutzklausel. »Ich will für die Union ganz eindeutig sagen, wir wollen auch eine Überforderungsklausel.« Diese müsse auch praktikabel sein.
Die Kanzlerin kündigte an, auch andere Streitpunkte müssten in der Arbeitsgruppe gelöst werden. Beck und Merkel sagten, die komplexe Reform erfordere Sorgfalt. »Es kommt aus meiner Sicht nicht auf den Tag an.« Die Koalition will Mitte Oktober einen Gesetzentwurf vorlegen. Wegen des anhaltenden Streits hat sie das Inkrafttreten der Reform bereits um drei Monate auf den 1. April 2007 verschoben.
Nachdem der Konflikt in den vergangenen Tagen eskaliert war, bemühten sich Merkel und Beck, dem Eindruck einer Krise entgegen zu treten. »Wir wollen diese Reform umsetzen«, sagte Beck. »Ich bin zuversichtlich, dieses Projekt der Koalition zu einem guten Ende zu führen«, sagte Merkel.
Da CSU-Chef Edmund Stoiber zu den Hauptkritikern gehört, betonte die CDU-Vorsitzende, sie habe mit Beck im Geist von CDU und CSU gesprochen. Mehrere Unions-Ministerpräsidenten hatten nach einem Treffen mit Merkel am Donnerstagabend abermals Änderungen an den Vereinbarungen gefordert. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) attackierte erneut Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. »Wir sind nicht zufrieden mit der Art und Weise«, wie sie das Gesetzgebungsvorhaben steuere, sagte er.
Nach Angaben von Teilnehmern des Treffens am Donnerstag will die Union mit eigenen Entwürfen für Teile des Gesetzes in das Ressort der SPD-Politikerin eingreifen. Beck stellte sich demon-strativ hinter die Ministerin. »Kein Mensch wird Ulla Schmidt mit uns in Frage stellen, und sie wird auch von der Kanzlerin nicht in Frage gestellt.« Spitzenvertreter von SPD und CDU dementierten einen Bericht des Magazins »Stern«, wonach auf den Gesundheitsfonds verzichten werden solle.
Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer sagte, die Reform wäre auch ohne Fonds denkbar. Der CDU-Politiker zeigte kein Verständnis für die Haltung Stoibers, der die Ein-Prozent-Regelung zunächst mitgetragen habe und sie nun kippen wolle. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 23.09.2006