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Sorge im Vorfeld des Ramadan

Menschenrechte im Islam beschreiben Freiheit »innerhalb der Scharia«

Von Reinhard Brockmann
Frankfurt (WB). Die Diskusison um die von Papst Benedikt XVI. gebrauchten Zitate zum Islam geht weiter. Zugleich häufen sich die Sorgen um die Sicherheit der Christen in islamischen Ländern. Am 24. September beginnt der Ramadan.

Kardinal Karl Lehmann nahm Benedikt XVI. gestern in Schutz. Dem Papst sei es nicht darum gegangen, »der Vernünftigkeit des christlichen Glaubens die fehlende Vernünftigkeit anderer Religionen - namentlich des Islams - entgegenzusetzen«, erläuterte er in Berlin. Vielmehr habe der Papst darauf abgehoben, »dass es auf Seiten aller Religionen der Reflexion auf die universale Verbindlichkeit der Vernunft bedarf«. Indirekt kritisierte Lehmann, der zu dem Thema erstmals öffentlich das Wort ergriff, dass das gewählte Beispiel »zur Durchführung des genannten Themas gewiss nicht zwingend notwendig« gewesen sei.
»Eine Entschuldigung wäre weder notwendig noch gerecht«, sagte Pater Eberhard von Gemmingen von Radio Vatikan. »Es wäre auch unehrlich, weil der Papst korrekt zitiert hat und in vielen islamischen Ländern nicht korrekt darüber berichtet wurde.«
Die Internationale Gesellschaft für Menschrechte erinnerte an die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam«, die gestern 25 Jahre alt wurde. Als erstes multinationales Menschenrechtsdokument der islamischen Welt treffe das Papier jedoch keine eindeutige Aussage zur Gleichberechtigung von Nichtmuslimen und erwähne die Freiheit des Religionswechsels nicht.
So heißt es in Artikel 12 a, dass jeder zum Ausdruck bringen könne, »was er denkt und glaubt, ohne dass ein anderer einschreitet oder ihn behindert, solange er innerhalb der allgemeinen Grenzen, die die Scharia vorschreibt, bleibt«. Beobachter sehen darin eine deutliche Einschränkung für Nichtmuslime. In der Praxis folgen daraus drakonische Strafen für Abtrünnige bis zur Todesstrafe etwa in Afghanistan, Mauretanien, Saudi Arabien, im Sudan und im Iran. Erst im März machte der Fall des von der Hinrichtung bedrohten afghanischen Konvertiten Abdul Rahman Schlagzeilen.
Besonders verweist die IGFM auf Artikel 20b: »Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott die einen von ihnen (die Männer) vor den anderen bevorzugt hat und wegen der Ausgaben, die sie von ihrem Vermögen gemacht haben (Koran 4,34)«
In den vergangenen Jahren war es zu Übergriffen unmittelbar vor und während des Ramadan gekommen. Meist waren diesen Übergriffen »lancierte Meldungen« vorausgegangen, nach denen Christen den muslimischen Glauben beleidigt haben sollen. Am 21. Oktober 2005 kam es in Alexandria, Ägypten, zu Ausschreitungen zwischen islamischen Demonstranten, christlichen Kopten und Sicherheitskräften. Vier Personen wurden getötet und 90 verletzt. Auslöser war die vermutlich von Islamisten organiserte Verteilung von DVDs mit einem islamkritischen Theaterstück. Im Irak kam es 2004 zu Beginn des Ramadan zu Anschlägen auf fünf Kirchen in Bagdad. In Saudi Arabien brachte das Innenministerium am 10. Oktober 2004 eine Verlautbarung heraus, wonach alle Nichtmuslime des Landes verwiesen würden, wenn sie die Gebote des Ramadan nicht einhielten.

Artikel vom 20.09.2006