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»Spiel nicht mit den Schmuddelkindern«: Auch Franz-Josef Degenhardt sang im Bunker.

»Happy Birthday,
Bunker Ulmenwall«

50 Jahre Jazz und Jugendkultur im Szenelokal


Von Anita Grams
Bielefeld (WB). Diese Wände sind vollgesogen mit Musik - über kaum einen anderen Bunker in Deutschland kann man so etwas sagen. Beim Bunker Ulmenwall ist das noch untertrieben. Der Jazzclub hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Stolz können die Bielefelder heute sagen: Der Bunker Ulmenwall wird 50!
»So lange ist er Treffpunkt für Kulturschaffende aus aller Welt an der Kreuzstraße 0 zu Hause«, sagt Kornelia Vossbein, Geschäftsführerin des Bunkers. Seit nunmehr einem halben Jahrhundert fasziniert er sein Publikum mit Konzerten, Ausstellungen, Kabaretts, Lesungen und ist so unkonventionell und schräg geblieben, wie am ersten Tag. Ernst Jandl hat hier ebenso gelesen wie Günther Grass, Max Goldt und Wladimir Kaminer Generationen von Jugendlichen kamen in den Bunker, um dem Konservativem zu entfliehen und dem eigenen Ideen kreativen Lauf zu lassen. Schon immer war er eine Plattform für junge Künstler, ihre Ideen und ihr kreatives Schaffen. Internationale Künstler geben sich seit seinen Anfängen die Klinke in die Hand und sind ebenso von der Atmosphäre des Bunkers begeistert wie seine Besucher. Über die Jahre hat sich durch erstklassige Jazzkonzerte, Lesungen und experimentelle Ausstellungen in Ostwestfalens Untergrund eine Kultur jenseits des Mainstream etabliert. Der Bunker Ulmenwall wurde 1938 als Sanitätsbunker am Fuße der Sparrenburg errichtet. Nach dem Krieg teilten sich verschiedene Jugendverbände wie »Die Falken« und der »Christliche Verein Junger Männer« das Gewölbe mit dem Bielefelder Puppenspieler Helmut Selje. Der Jazzliebhaber Selje veranstaltete mit dem Jugendamt 1956 seinen ersten Jazzband-Ball. Der Bunker als Jazzclub war geboren und die Jazzbandbälle wurden zum besten Geheimtipp in der Region. Vossbein: »Ab 1957 wurde zudem alle zwei Wochen zu Vorträgen über Stile und Musikerpersönlichkeiten geladen.« 1961 beauftragte die Stadt Bielefeld Marie-Luise und Horst Löhr mit einem umfangreicheren Nutzungskonzept für das umbenannte »Studentenclubheim« Bunker Ulmenwall. In Doppelnutzung betrieb Selje seine Puppenspiele, während die Löhrs für die regionalen Jugend Konzerte, Ausstellungen, Lesungen und moderierte Diskussionen organisierten. Später wurden die Löhrs von Monika und Götz Adam als Leiter des Bunker Ulmenwalls abgelöst, die dem Publikum heiße Rhythmen von internationalen Künstlern boten. In den Achtzigern übernahmen Jutta und Raymund Dillmann die Leitung und wurden später von Corinna Luttmann und Rainer Schürmann abgelöst.
1996 geriet der Bunker in Gefahr: Der städtische Zuschuss sollte drastisch gekürzt werden, was einer Schließung gleichgekommen wäre. Daraufhin gab es starke Proteste unter Bielefelds Bürgern. Der Bewegung »Jazz erst Recht« schlossen sich bald Wissenschaftler, Musiker, Kabarettisten und Schauspieler an. Unter diesem massiven Druck lenkte die Stadt schließlich ein und gab den Bunker Ulmenwall in freie Trägerschaft. Neben seinem 50-jährigen Jubiläum feiert der Bunker somit auch sein zehnjähriges Bestehen als Verein. Nach Klaus Scheuer ist heute Kornelia Vossbein die Geschäftsführerin des Bunker Ulmenwalls und kümmert sich viel Engagement
»Ich bin so stolz«, sagt Vossbein begeistert und meint damit »ihren« Bunker, der so lange nicht bestanden hätte, »hätten die Verantwortlichen nicht immer den Mut zur Lücke«. Und daher wird erst einmal richtig groß gefeiert. So ist der »Jubiläums-Herbst« mit vier Veranstaltungen eine Geburtstagsparty, wie sie einer Bielefelder Institution gebührt. Den Anfang macht das OstJazzFalen-Festival, das am 15. und 16. September stattfinden wird. Im Oktober werden Bielefelder Jugendliche das Musikprojekt »Get Grooved« präsentieren, während im November in der Oetkerhalle Jazz und arabische Musik erklingen werden. Den Abschluss bildet eine Weihnachtsmatinee.
Und dem »Geburtstagskind«, das gerade frisch gestrichen in den Farben seiner Anfangszeit, wünscht das Publikum weitere 50 Jahre Bunker Ulmenwall.

Artikel vom 07.09.2006