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Der deutsche Marine-Einsatz
im Libanon rückt näher

Merkel: Existenzrecht Israels sichern - Deutsche Experten nach Beirut

Berlin (dpa/Reuters). Nach der Truppenanforderung des Libanon wird die Bundesregierung in den nächsten Tagen endgültig über die Entsendung der Deutschen Marine in die Krisenregion entscheiden müssen.

Aus Regierungskreisen hieß es dazu gestern Abend aber, dass der Beschluss nicht überstürzt, sondern nach »sorgfältiger Prüfung« getroffen werden solle. Ein Zeitpunkt für die Befassung des Kabinetts stehe noch nicht fest.
Wie zu erfahren war, leistete das Bundeskabinett bereits einen weiteren konkreten Beitrag zur Stabilisierung des Libanon, der mit zur Ankündigung der Aufhebung der See- und Luftblockade durch Israel führte. Die Blockade soll heute aufgehoben werden. Im Umlaufverfahren beschloss das Kabinett außerhalb einer regulären Sitzung die Entsendung deutscher Experten für die Gepäck- und Personenkontrolle auf dem Beiruter Flughafen.
Den Informationen nach soll es sich um Fachleute handeln, die in Beirut vor allem technische Hilfe für die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Airport leisten sollen. Es handelt sich dem Vernehmen nach um Experten des Zolls und des Bundeskriminalamts.
Im Bundestag hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gestern grundsätzlich zu dem deutschen Marine-Einsatz bekannt. Merkel bat um Verständnis für die Verzögerung der Entscheidung.
»Es kommt darauf an, dass dieses Mandat auch gewollt ist«, sagte sie im Bundestag mit Blick auf die Diskussionen in der libanesischen Regierung. »Gründlichkeit der Entscheidung geht hier vor Schnelligkeit.« Es sei besser, noch ein paar Tage zu warten, als deutsche Soldaten unnötig Risiken auszusetzen. Merkel rief zu Respekt vor der libanesischen Regierung auf. Zum weiteren Verlauf hieß es am Abend, dass vor einer Befassung des Kabinetts zunächst die Bewertung durch die Vereinten Nationen abgewartet werden solle.
Bei den Vereinten Nationen in New York müsse zunächst geprüft werden, inwieweit die Anforderung mit der dortigen Operationsplanung übereinstimme, hieß es in Berlin. Italien, Frankreich, Großbritannien und Griechenland hatten bereit erklärt haben, bis zum Eintreffen des deutschen Verbandes die Überwachung der libanesischen Küste zu übernehmen.
In dem Entwurf für die Truppenanforderung soll es nach Angaben aus Regierungskreisen in Beirut auch nur heißen, die deutschen Schiffe sollten mindestens sieben Seemeilen (13 Kilometer) von der libanesischen Küste entfernt im Mittelmeer kreuzen.
In Reaktion auf die wachsende Furcht in der Koalition vor einer Überforderung der Bundeswehr schloss Merkel im Bundestag einen seit langem diskutierten größeren Bundeswehreinsatz im Sudan aus. Gegen massive Oppositions-Kritik bekräftigte die Kanzlerin im innenpolitischen Teil ihrer Rede, dass die Regierung trotz der anziehenden Steuereinnahmen der Etatsanierung den Vorrang vor neuen Ausgaben gibt. »Wir dürfen unsere Zukunft nicht verbrauchen«, sagte Merkel mehrmals. Fast alle Redner räumten in der Debatte der Außenpolitik mehr Gewicht ein als bei vergleichbaren Debatten in der jüngeren Vergangenheit.
Merkel rechtfertigte die laufenden deutschen Bundeswehr-Einsätze - unter anderem in Afghanistan und im Kosovo - mit etwa 7700 Soldaten damit, dass sie jeweils auch den deutschen Interessen dienten.
Das Angebot der Marine-Mission vor der libanesischen Küste verteidigte die Kanzlerin mit dem Hinweis, dass es »deutsche Staatsräson« sei, das Existenzrecht Israels zu gewährleisten.
FDP und Linkspartei lehnten diese Position strikt ab. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, es sei bislang Staatsräson gewesen, dass deutsche Soldaten niemals in Gefahr geraten dürften, auf Israelis schießen zu müssen. Diesen Grundsatz gebe die Regierung nun auf. Die Grünen hielten sich eine Zustimmung zu dem Einsatz offen.
FDP und Grüne richteten auch massive Vorwürfe gegen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), der ihrer Meinung nach mit seinen Aussagen zur Verwirrung über den Libanon-Einsatz beigetragen hatte.
Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn verglich Jung bereits mit dem ehemaligen SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping, der sein Amt nach Affären schließlich aufgeben hatte. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 07.09.2006