30.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Mr. Tagesthemen« wird sich ganz geruhsam verabschieden

ARD sagt Ulrich Wickert mit Porträt Adieu - Tom Buhrow startet Freitag

ARD, 21.45 Uhr: Natürlich bricht nicht die Welt zusammen. Aber eine Zäsur ist es doch, denn Ulrich Wickert ist nicht nur »Mr. Tagesthemen«, sondern auch sowas wie eine Institution. Nun geht er und das Erste widmet im heute das Porträt »Adieu Mr. Tagesthemen«.

Wenn Ulrich Wickert morgen Abend ein letztes Mal seinen Gute-Nacht-Gruß in Deutschlands Wohnzimmer schickt, geht eine TV-Ära zu Ende. 15 Jahre lang war er der »Anchorman der Nation«, jede zweite Woche Abend für Abend mit aktuellen Ereignissen zur Stelle.
Trotzdem will der 63-Jährige, dass auch am letzten Tag alles abläuft wie sonst. »Ich werde den Zuschauern wie immer eine geruhsame Nacht wünschen und vielleicht spontan noch etwas anderes sagen, aber das ist alles«, meint der Wahlhamburger. »Wir sind zwar eine Nachrichtensendung, aber ich bin keine Nachricht.«
Dass Wickerts Abschied auf jeden Fall zu den Themen des Tages gehören wird, zeigte das große Medieninteresse allein bei seiner Ankündigung, den Vertrag nicht noch einmal zu verlängern. Der damalige Leiter des Pariser ARD-Studios war in die Fußstapfen des populären »Tagesthemen«-Moderators Hanns Joachim Friedrichs getreten. »Nie hätte ich geglaubt, dass daraus mal 15 Jahre werden«, sagt der frühere Auslandskorrespondent, der neben Frankreich auch aus Washington und New York berichtete.
Erfahrungen in anderen Ländern sammelte der Sohn eines Diplomaten schon in frühen Jahren. In Tokio wurde er geboren, in Heidelberg und Paris ging er zur Schule, in Bonn und den USA studierte er Politik und Jura. Als freier Mitarbeiter und Hörfunkautor gelangte Wickert 1969 zum Fernsehen.
Mit Seriosität und Charme, intellektuellem Witz und verschmitztem Lächeln wurde der 1,96-Meter-Hüne zur Idealbesetzung des »Mr. Tagesthemen«. »Das waren 15 spannende Jahre, in denen ich bewegende Momente erlebt habe«, lautet sein Fazit. »Mehr Zeit für das Privatleben« will sich der in dritter Ehe mit der knapp 30 Jahre jüngeren Verlagsleiterin Julia Jäkel Verheiratete nehmen. Im Fernsehen bleibt er mit seiner Literatursendung »Wickerts Bücher« präsent.
Nachfolger Tom Buhrow, er ist verheiratet und hat zwei Töchter im Alter von neun und zwölf, ist jetzt in den Prominentenstatus aufgerückt. »Aber ich bin nicht der Typ, der in einer Glitzerwelt zu Hause ist«, sagt der Marathonläufer, der unter anderem schon mal in Paris und New York mitrannte.
Die letzten Tage vor seinem Moderationsbeginn hat Buhrow bereits einige Trockenübungen am Pult absolviert. Der erste Tag wird verlaufen, wie jeder Tag bei ARD aktuell in Hamburg-Lokstedt: Zeitungen lesen, Nachrichtenagenturen sichten, mit Korrespondenten reden, Redaktionskonferenzen, Moderationstexte schreiben, bis um 23.10 Uhr die Kamera surrt.
Eine feststehende Begrüßungsformel hat er ebenso wenig wie einen Abschiedsgruß im Stile Wickerts, der immer eine »geruhsame Nacht« wünschte. »Eins steht fest«, sagt Buhrow. »Am zweiten Tag werde ich mich anders verabschieden als am ersten.«
Vor kurzem ist Buhrow mit der Familie von Washington nach Hamburg gezogen. Die ersten Schultage seien für die Töchter, die eine Grundschule und ein Gymnasium besuchen, problemlos verlaufen. »Dabei hatte die Ältere noch in den USA gesagt: »Ich freue mich auf Hamburg. Aber umziehen will ich nicht.«

Artikel vom 30.08.2006