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»Glaubwürdigkeit gewinnen«

Linus Gerdemann startet beim WESTFALEN-BLATT-Preis in Steinhagen

Steinhagen (WB). Bjarne Riis hält ihn für das größte Talent des deutschen Radsports. Am Samstag können sich die heimischen Fans selbst ein Urteil bilden, ob Linus Gerdemann ein echter Kandidat für die Nachfolge von Jan Ullrich ist. Der T-Mobile-Profi startet beim Derny-Rennen um den WESTFALEN-BLATT-Preis in Steinhagen. Im Vorfeld sprach Sören Voss mit dem 23-Jährigen.
Die Ära Ullrich neigt sich dem Ende entgegen. Viele Experten sehen ihn Ihnen einen heißen Kandidaten für die Nachfolge. Trauen Sie sich die Führungsrolle zu?Gerdemann: Ohne Andreas Klöden und Ullrich muss ich in unserem Team in der nächsten Saison natürlich mehr Verantwortung übernehmen. Das hat mir unser neuer Teamchef Rolf Aldag - zu dem ich übrigens ein super Verhältnis habe - auch schon signalisiert. Doch zunächst wird Michael Rogers die Kapitänsrolle einnehmen. Zusammen mit Patrick Sinkewitz will ich aber auch Akzente setzen. Das erste Ziel ist das weiße Trikot bei der Tour de France (Anm. d. Red.: bester Nachwuchsfahrer).

Sie gelten als Spezialist für mehrtägige Rundfahrten. Bei der Deutschland-Tour wurden Sie aber an den steilen Bergen - öfters als gewünscht - abgehängt. War das ein Rückschlag?Gerdemann: Ein klares Nein! Als Saisonhöhepunkt war für mich von vornherein die Tour de Suisse vorgesehen, bei dem ich ja auch ordentlich gefahren bin. Einige Wochen später ist es nunmal schwer, die alte Form wiederzufinden. Wenn ich topfit bin, habe ich keine Angst vor den großen Bergen und brauche mich vor der Konkurrenz nicht zu verstecken.

Apropos Konkurrenz: Nachdem sich der deutsche Radsport offensiv für eine Anti-Doping-Kampagne ausgesprochen hat, haben die anderen Nationen bislang noch nicht nachgezogen. Befürchten Sie »Vorteile« für ausländische Teams?Gerdemann: Ich begrüße den deutschen Vorstoß, denn jeder muss sich zuerst an die eigene Nase fassen. Es liegt an uns, dass der Radsport seine Glaubwürdigkeit zurück gewinnt. Für einen sauberen Sport muss alles getan werden, sonst wird das Interesse irgendwann nachlassen. Für mich wird sich nach der Verschärfung der Kontrollen nichts verändern, weil ich nie leistungssteigernde Mittel genommen habe. Ich finde es gut, dass Deutschland den Vorreiter spielt, denn irgendeiner musste es ja machen. Jetzt sind die anderen unter Zugzwang. Der Druck, der auf die anderen Nationen ausgeübt wird, ist groß. Die Gefahr, dass andere Mannschaften nicht nachziehen, sehe ich nicht, weil die ProTour-Teams die finanziellen Mittel eigentlich zur Vefügung haben müssten.

Am Samstag starten Sie beim Derny-Rennen in Steinhagen, obwohl Sie nicht gerade ein Freund von Rundstrecken-Kriterien sind. Warum fahren Sie ausgerechnet hier?Gerdemann: Richtig, ich bin in diesem Jahr erst bei zwei Kriterien gestartet und nicht gerade ein Spezialist auf diesem Gebiet. Aber nach Steinhagen komme ich gerne, weil es erstens von meinem Wohnort Münster nur einen Katzensprung entfernt und es zweitens das Heimrennen von Jörg Ludewig ist. Jörg ist wirklich ein feiner Kerl, und es ist auch eine Gefälligkeit ihm gegenüber, dass ich starte.

Und wird dann nach dem Rennen auch zusammen ein Pils oder ein Gläschen Wein getrunken?Gerdemann: Das hätte ich gerne gemacht, ist aber nicht möglich. Schon am Sonntagmorgen geht mein Flieger, weil ich am Montag bei der Polen-Rundfahrt starte.

Artikel vom 30.08.2006