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»Schwarz-gelbe Politik, wie in NRW, ist sozialer als Rot-Grün«

Heute im Gespräch: Minister Andreas Pinkwart , FDP-Landesvorsitzender

Bielefeld (WB). Die CDU-Richtungsdebatte lässt den Koalitionspartner FDP kalt. Reinhard Brockmann fragte nach bei Andreas Pinkwart, FDP-Parteichef in NRW.

Ihr Koalitionspartner Jürgen Rüttgers ist gerade dabei, die CDU von der FDP thematisch wegzubewegen. Pinkwart: Mich beunruhigt das überhaupt nicht, solange wir uns auf einem gemeinsamen Weg zur Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft befinden. Und genau das ist unverändert der Fall. Liberale Politik ist geprägt von dem Prinzip der Freiheit, aber auch immer in Verbindung mit dem Aspekt der Gleichheit etwa der Chancen am Start und der Brüderlichkeit mit jenen, die sich aus eigener Kraft nicht helfen können. Wir wollen, dass die, die leistungsfähig sind, ihre Fähigkeiten auch nutzen können. Dann wird der Kuchen für alle größer.

Jürgen Rüttgers glaubt 80 Prozent der Bürger darin hinter sich, dass gerade jetzt mehr Solidarität gefragt ist. Schwarz-Gelb in NRW mutet den Menschen womöglich noch mehr zu als Schwarz-Rot im Bund.Pinkwart: Schwarz-gelbe Politik, wie wir sie in NRW betreiben, ist die sozialste Politik. Nehmen wir die rot-grüne Bildungspolitik in NRW mit ihren verheerenden Auswirkungen. War das sozial? Wenn unsere Kinder hier in NRW schlechtere Bildungschancen und damit weniger berufliche Chancen hatten als in anderen Bundesländern, dann trifft das insbesondere einkommensschwache Familien. Wir wollen den einzelnen wieder stark machen, unabhängig von seiner Herkunft. Sozial ist auch, dass sich Leistung wieder lohnen muss, und dass der, der sich anstrengt, mehr hat als der, der sich nicht anstrengt. Diese Grundsätze werden von Schwarz-Gelb beherzigt und umgesetzt. Das schafft Rückhalt in der Bevölkerung.

Haben Sie irgendeinen Zweifel, dass Steuersenkungen nicht zu mehr Investitionen und Arbeitsplätzen führen?Pinkwart: FDP und CDU in NRW haben ganz klar verabredet, dass wir ein einfacheres, niedrigeres und gerechtes Steuersystem in Deutschland haben wollen. Klar ist auch, dass eine Senkung der Unternehmenssteuern allein nicht zu mehr Beschäftigung führt, sofern eine Politik aus einem Guss gemacht wird. Deshalb brauchen wir Deregulierung, mehr Offenheit am Arbeitsmarkt und niedrigere Lohnnebenkosten. Alles das gehört zusammen. Steuererhöhungen, wie sie die Politik in Berlin derzeit vornimmt, sind jedenfalls immer der falsche Weg.

Gräbt Rüttgers mit seiner internen Richtungsdebatte sogar der SPD das Wasser ab und regiert zu Hause liberal?Pinkwart: Wir machen eine Politik mit klaren Grundsätzen: Privat vor Staat, Erwirtschaften vor Verteilen, Freiheit vor Gleichheit. Das ist aus meiner Sicht liberale Politik mit sozialer Verantwortung.

NRW feiert 60. Geburtstag. 1980 und 1995 ist die FDP aus dem Landtag rausgeflogen. Derzeit sind Sie wieder obenauf. Pinkwart: Wir haben nach der SPD die längste Regierungserfahrung in NRW. Das zeigt, dass NRW für den deutschen Liberalismus zu einer Hochburg geworden ist. Die Menschen sehen die FDP als Motor für den Veränderungsprozess. Wir sind übrigens auch der mit Abstand mitgliederstärkste Landesverband der FDP: Jeder vierte Delegierte auf FDP-Bundesparteitagen kommt aus NRW.

Böte nicht das letzte Jahr für Sie mehr Grund zu feiern als die lange Oppositionszeit davor?Pinkwart: Sicherlich. In dem Vierteljahrhundert, in dem wir nicht mitregiert haben, ist manche Chance ungenutzt geblieben. NRW gehört bei Bildungsqualität und Wirtschaftskraft nicht ins untere Mittelfeld, sondern nach vorne. Wir arbeiten mit der CDU daran, auf den zentralen Zukunftsfeldern Bildung, Forschung, Technologie und Mittelstand wieder Nummer eins in Deutschland zu werden.

Nicht jeder ist vom Hochschulfreiheitsgesetz angetan. Studienbeiträge werden als Verlust von Studienfreiheit verstanden.Pinkwart: Wir nehmen die Sorgen sehr ernst. Deswegen haben wir auch das in Deutschland sozialverträglichste Studienbeitragsgesetz auf den Weg gebracht. Hier kann jeder unabhängig von seinem Einkommen ein Studium aufnehmen. Jeder hat Anrecht auf ein zinsgünstiges Darlehen, zurückgezahlt werden muss erst nach Berufseintritt, und auch nur dann, wenn das Einkommen hinreichend ist. Für Bafög-Empfänger gibt es eine Sonderregelung wie nirgendwo sonst in Deutschland. Ganz überwiegend werden sie faktisch beitragsfrei gestellt. Wir wollen, dass jedes Talent eine Chance bekommt. Aber wir wollen auch erreichen, dass unsere Hochschulen besser werden. Wir sind derzeit noch das Bundesland mit der längsten Studiendauer und hoher Abbrecherquote. Das muss sich ändern.

Ostwestfalen-Lippe setzt auf Biotechnologie, fürchtet aber die Bevorzugung rheinischer Chemieriesen durch die Landesregierung.Pinkwart: Wir haben die Biotechnologie-Region OWL in unsere Strategie-Gruppe eingebunden, Vertreter dieser Region waren auch kürzlich bei einer Konferenz in Düsseldorf dabei. Wir schauen derzeit gemeinsam, wie sich NRW in den Forschungsprogrammen von Bund und EU erfolgreich bewerben kann. Dazu brauchen wir alle: die Großindustrie, die Wissenschaft und die kleinen und mittleren Unternehmen. Wer davon am meisten profitiert, ist keine Frage von groß oder klein, keine Frage von regionalem Standort - entscheidend ist, wer gut, schnell und beweglich ist.

Artikel vom 26.08.2006