25.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Wer steht hinter den beiden Kofferbombern aus Libanon?

Auch nach der zweiten Festnahme bleiben noch viele Fragen offen

Von Norbert Klaschka
und Martin Oversohl
Berlin (dpa). Das ging schnell: Innerhalb von weniger als einer Woche sind die beiden meistgesuchten mutmaßlichen Terroristen den Sicherheitsbehörden ins Netz gegangen. Kaum waren sie zur Fahndung ausgeschrieben, schon konnten sie dingfest gemacht werden.

Der erste am Samstag in Kiel, der zweite gestern in Tripoli im Libanon. Gemeinsam sollen die beiden 20 und 21 Jahre alten Verdächtigten vor dreieinhalb Wochen versucht haben, zwei Regionalzüge in die Luft zu sprengen. Entwarnung geben die Ermittler aber keineswegs, denn es ist vollkommen unklar, ob es sich bei dem Duo um Einzeltäter handelt.
Mit Fahndungsplakat, Haftbefehl und Interpol-Fahndung zogen sich die Schnüre um den zuletzt gesuchten 20-jährigen Jihad immer enger zusammen. »Seine Wohnung in Köln hatte er offensichtlich überstürzt aufgegeben«, sagte Bundesanwalt Rainer Griesbaum in Karlsruhe. Auch die Flucht in die Heimat nutzte nichts: Er stellte sich der Polizei.
Trotz des raschen Fahndungserfolgs bleiben noch etliche Fragen offen. Welche Motive hatten die Täter? Steht hinter den geplanten Anschlägen eine terroristische Vereinigung oder handelt es sich um zwei Einzeltäter? Weisen die Spuren auf eiskalte Attentäter aus dem Dunstkreis von El Kaida? Warum ist der in Kiel gefasste 21-jährige Youssef Mohamad El Hajdib wieder nach Deutschland zurückgekehrt und warum hat sich Jihad - so die Darstellung der Bundesanwaltschaft - freiwillig gestellt? Im Libanon kursierte die Version, die Polizei habe ihn nach Tripoli gelockt, wo er dann festgenommen worden sei. Und schließlich: Liefert Libanon eigene Staatsangehörige aus?
Die Bundesanwaltschaft vermittelte in ihrer Darstellung Zuversicht, dass sie den 20 Jahre alten Mann bald nach Deutschland holen kann. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rechnet mit einer problemlosen Auslieferung. Sowohl Bundesanwaltschaft als auch Bundesregierung lobten die gute Zusammenarbeit mit den libanesischen Behörden, die auch den entscheidenden Tipp für die Festnahme der ersten Verdächtigten gegeben haben sollen.
Die ganz nah gekommene terroristische Bedrohung hat die Debatte um eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze weiter angeheizt. Vor allem Unionspolitiker machen Sicherheitslücken aus und fordern, sie zu schließen. Auf den Weg gebracht ist bereits eine Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze von 2001, die noch erweitert werden sollen. Im September wird die Einführung einer Anti-Terror-Datei für Polizei und Geheimdienste beschlossen. Videoüberwachung wird ausgeweitet.
Die Terrorgefahr und die Sicherheitsdebatte haben mittlerweile dazu geführt, dass sich manch einer in Deutschland unwohl fühlt, nur weil er anders aussieht, auch wenn er einen deutschen Pass hat.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, und der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mayzek, warnten davor, Migranten unter Generalverdacht zu stellen. Und auch Bundespräsident Horst Köhler warnt vor Hysterie. Man müsse die Gefahr erkennen, »aber man darf auch nicht in Panik verfallen«.

Artikel vom 25.08.2006