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100 Jahre den richtigen Ton getroffen

Kantorei der Bartholomäus-Kirchengemeinde feiert Jubiläum mit Mozarts Krönungsmesse

Von Stefanie Westing
Brackwede (WB). Ein gemischter Chor? Diese Vorstellung schien vor 100 Jahren nahezu undenkbar. Trotzdem wagte Pastor Oestermann seinerzeit das Experiment, junge Damen und Herren gemeinsam singen zu lassen. Mit Erfolg. Aus dem Chor wurde irgendwann die Kantorei der evangelischen Bartholomäus-Kirchengemeinde. In diesen Tagen feiern die Sänger das 100-jährige Jubiläum ihrer Gemeinschaft.

»Singbegabte Angehörige des Jungfrauen-Vereins und des Jünglingvereins« trommelte Pfarrer Oestermann vor einem Jahrhundert zusammen, um diese unter Leitung des Organisten Wilhelm Buthenuth erstmals gemeinsam das Lob zu Gottes Ehren anstimmen zu lassen. Die Probenarbeit trug bald Früchte in Form einiger gelungener Konzerte. Der Erste Weltkrieg allerdings ließ die Stimmbänder so gut wie verstummen. 1916 ging Chorleiter Buthenuth auch noch in den Ruhestand, so dass die Arbeit zunächst lahm gelegt war.
Drei Jahre später sammelte Buthenuth noch einmal Sängerinnen und Sänger um sich, um dem Chor neues Leben einzuhauchen. Kurz danach übergab er die Leitung an Karl Vahle. Dieser war, wie auch Buthenuth, Lehrer an der I. Bürgerschule - später Osning-, heute Vogelruthschule. Außerdem spielte Vahle die Orgel in der Bartholomäuskirche.
Am 15. Januar 1926 wurde aus dem gemischten Chor mit Einverständnis der Pastoren Münter und Hentschel ein selbstständiger Verein - die Geburtsstunde des »Evangelischen Kirchenchores Brackwede«. Als Aufgaben wurden unter anderem die Mitwirkung in Gottesdiensten und die Ausrichtung von Kirchenkonzerten festgelegt, aber durchaus auch Geselligkeit. Dies sorgte erneut für Gesprächsstoff - für die Geistlichkeit gehörte Geselligkeit nicht zu den erwünschten Aktivitäten eines Chores. Chorleiter Vahle indes ließ sich nicht beirren und initiierte Konzerte, musikalische Feierstunden, Wanderungen, Ausflüge und bunte Abende.
In Zeiten des Zweites Weltkrieges blieben diese Aktivitäten weitgehend auf der Strecke. Weil etliche Sänger zum Wehrdienst eingerufen wurden, schrumpfte die Anzahl der Aktiven zeitweise auf zehn bis zwölf. Im Frühjahr 1945 stockte der Betrieb ganz, doch schon zu Pfingsten sang der Chor wieder im Gottesdienst.
Karl Vahle übergab den Taktstock im November 1951 an Reinhard Grotz, der anschließend 35 Jahre lang die Verantwortung als Kantor trug. Er brachte frischen Wind mit, gründete mit Hilfe seiner Frau Adelheid den Instrumentalkreis, der die Sänger künftig bei größeren Werken unterstützte. Um für anspruchsvolle Konzerte zu proben, wurden Fahrten nach Willingen oder Usseln unternommen. Diese Art der Vorbereitung übernahm auch der aktuelle Kantor Walter Haverkamp, der am 1. Februar 1986 ins Amt eingeführt wurde. Regelmäßig fahren die Sänger nach Holzhausen im Kreis Minden-Lübbecke, wo auch schon einmal lateinische Vokabeln und deren Aussprache »gepaukt« werden. »Wenn wir auf Latein singen, benutzen wir die italienische Aussprache«, erklärt Haverkamp. Die geht nicht immer jedem gleich leicht von der Zunge.
Intensiv vorbereitet haben sich die etwa 50 Aktiven auch auf Wolfgang Amadeus Mozarts Krönungsmesse, mit der am Sonntag, 27. August, das 100-jährige Bestehen der Kantorei gefeiert werden soll. Beginn des Festgottesdienstes ist um 10 Uhr in der Bartholomäuskirche. Unterstützt wird die Kantorei von den Solisten Anne Eisenhauer-Biermann (Sopran), Sandra Bothor (Mezzosopran), Wolfgang Tiemann (Tenor) und Kantor Walter Haverkamp (Bass). Passend zum Jubiläum haben Haverkamp sowie die Sänger Joachim Schmidt und Hans Heitmann eine Dokumentation vorbereitet, die die vergangenen 100 Kantorei-Jahre Revue passieren lässt.
Auch für die kommenden zwölf Monaten haben sich die Sänger viel vorgenommen. Am 10. September wirken sie im Benefizkonzert mit den »Drei jungen Tenören« mit, am zweiten Advent erklingen die Teile eins bis drei und sechs des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach. Anschließend wird Joseph Haydns »Die Schöpfung« einstudiert. Das Oratorium wird am 3. Juni 2007 aufgeführt.

Artikel vom 24.08.2006