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Streit nach Rekordüberschuss

Union will den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung stärker senken

Berlin (Reuters). Der absehbare Rekordüberschuss der Bundesagentur für Arbeit (BA) von bis zu zehn Milliarden Euro hat den Streit in der Regierungskoalition neu entfacht, wie die Milliarden verwendet werden sollen. Unterdessen hat Deutschland gute Chancen, in diesem Jahr dank sprudelnder Steuereinnahmen erstmals seit 2001 wieder die Defizitvorgaben des Euro-Stabilitätspaktes einzuhalten.

Im ersten Halbjahr 2006 lag das Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialkassen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 2,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Verantwortlich für die gesunkene Defizitquote sind vor allem höhere Steuereinnahmen. Die Einkünfte aus Einkommen- und Gewerbesteuer sprudelten kräftig, aber auch aus der Mehrwertsteuer, die 2007 um drei Prozentpunkte erhöht werden soll. Der gestiegene Gewinn der Bundesbank steuerte ebenfalls seinen Teil bei, während sich die Sozialbeiträge leicht rückläufig entwickelten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies wie Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) erneut Forderungen zurück, angesichts der positiven Halbjahreszahlen auf die Anhebung der Mehrwertsteuer zu verzichten.
Union und Arbeitgeber forderten gestern, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung 2007 stärker zu senken als um die bislang geplanten zwei Prozentpunkte. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nannte dies ein »erstklassiges Signal« und verlangte von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) Klarheit über die Verwendung des Überschusses der Bundesagentur für Arbeit.
Müntefering lehnte eine zusätzliche Beitragssenkung aber ab: »Viel Luft ist da nicht.« Die SPD plädierte stattdessen dafür, das Geld zur Sanierung des Bundeshaushalts zu nutzen. Der DGB verlangte ein 650 Millionen Euro teures Ausbildungsprogramm für 50 000 Jugendliche.
Die BA hatte zuvor mitgeteilt, dass ihr Rekordüberschuss in diesem Jahr mit voraussichtlich 8,8 bis 9,6 Milliarden Euro alle bisherigen Erwartungen übertrifft. BA-Finanzvorstand Raimund Becker ließ erkennen, dass die Behörde dadurch Spielraum für eine Beitragssenkung über die geplanten zwei Prozentpunkte hinaus sieht. Das zu entscheiden sei aber Sache der Politik. Becker versah dies mit der Mahnung, dass das Jahr 2007 angesichts schlechterer Konjunkturprognosen kritischer werde.
Für die CDU habe »absolute Priorität«, die Überschüsse der BA für die nochmalige Senkung des Beitragssatzes zu verwenden, erklärte Pofalla. Die Senkung der Lohnnebenkosten sei ein entscheidender Schritt für mehr Beschäftigung. Bislang ist in der Koalition vereinbart, den von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen finanzierten Beitragssatz 2007 von 6,5 auf 4,5 Prozent des Bruttoeinkommens zu senken. Der Arbeitsminister machte deutlich, dass er dafür kaum Spielraum sieht.
CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer warf der SPD vor, es sei »unverantwortlich, die Überschüsse der Bundesagentur im Bundeshaushalt zu verfrühstücken«.
Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt forderte die Bundesregierung auf, 2007 zumindest befristet den Beitragssatz auf 4,0 Prozent zu senken. Weitere im Jahr 2007 zu treffende Sparbeschlüsse könnten dieses Beitragsniveau auch 2008 sichern. Die Grünen plädierten dafür, den Überschuss für eine weitere Beitragssenkung und zur Förderung von Arbeitslosen zu verwenden. Die Linkspartei forderte einen Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung.
Als Gründe für den hohen Überschuss nannte Becker den Erfolg der BA-Reformen und die Konjunktur. Dadurch fielen allein die Beitragseinnahmen zum Jahresende voraussichtlich um eine Milliarde Euro höher aus. Beim Arbeitslosengeld spare die BA auf Grund der besseren Beschäftigungslage bis 3,5 Milliarden Euro.

Artikel vom 25.08.2006