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Stolze deutsche Serie
soll auch weiter halten

WM in Aachen: Dressur-Duell mit dem Nachbarn

Aachen (dpa). Stress, Streit und juristische Auseinandersetzungen: Das deutsch-niederländische Duell um die Dressur-WM ist von besonderer Brisanz.
Die Reiter aus dem Nachbarland greifen nach der »sichersten Goldmedaille der Welt«, wie eine der ungewöhnlichsten Siegesserien des Sports umschrieben wird - seit 33 Jahren haben die deutschen Dressur-Mannschaften alle Titel bei Großveranstaltungen gewonnen, egal ob bei EM, WM oder Olympia.
»Das soll auch so bleiben«, sagt Bundestrainer Holger Schmezer vor dem heute beginnenden zweitägigen Wettbewerb. Die letzte Niederlage für deutsche Dressur-Reiter gab es 1972 bei den Olympischen Spielen, als das sowjetische Team ganz oben auf dem Treppchen stand. »Es wäre dumm, wenn unsere Serie ausgerechnet in Deutschland reißt«, meint Isabell Werth (Rheinberg). Die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt war elf Mal an deutsche Team-Erfolgen beteiligt und will nun mit Nadine Capellmann (Würselen), Hubertus Schmidt (Borchen-Etteln) und Heike Kemmer (Winsen/Aller) das Dutzend voll machen. »Die Reiter sagen, dass sie Gold wollen, und das meinen sie ernst«, berichtet Schmezer und gibt sich trotz des kurzfristigen Ausfalls von zwei Pferden optimistisch. Als erste Reiter starten heute Schmidt und Kemmer, Capellmann und Werth folgen am Mittwoch.
Die Niederländer gelten als einziger Konkurrent und treten forsch auf. »Vor einem Jahr haben wir hier gewonnen, warum soll das nicht noch einmal passieren?«, fragt Trainer Sjef Janssen. 2005 gelang den Niederländern der Sieg beim CHIO, es war die erste Niederlage der Gastgeber bei dem traditionsreichen Turnier.
Kurz danach begann ein heftiger Streit um die Trainingsmethoden der niederländischen Topreiterin Anky van Grunsven, die so genannte Rollkur mit einem eng auf die Brust gezogenen Pferdekopf, die dem WM-Duell nun eine besondere Brisanz geben. Mit Tränen in den Augen beschimpfte die zweimalige Olympiasiegerin deutsche Journalisten während der EM in Hagen und ging per Anwalt gegen ein Fachmagazin vor. »Es kommt mir so vor, als ob es sich um einen Krieg zwischen den Niederlanden und Deutschland handelt«, sagte van Grunsven beim Weltcup-Finale 2006. Und einen Start beim CHIO in Aachen lehnte sie ab, »weil ich mich dort nicht mehr willkommen fühle.«
»Das hat sich alles wieder beruhigt«, sagt Bundestrainer Schmezer und demonstriert Selbstbewusstsein, obwohl bei einer Addition der besten Einzelergebnisse die Niederländer vorn liegen. »Das ist Theorie«, sagt Schmezer. Er lässt sich auch nicht schrecken, weil in Klaus Husenbeths Piccolinos und Isabell Werths Warum nicht zwei nominierte Pferde verletzt ausgefallen sind. »Wir haben völlig gleichwertigen Ersatz«, sagt der Coach. Für Husenbeth rückte Schmidt mit Wansuela Suerte nach, Werth reitet Satchmo.
Unwägbar ist der Ausgang des Duells vor allem, weil die Dressur erstmals im Hauptstadion ausgetragen wird. »40 000 Zuschauer, das gab es noch nie«, sagt Capellmann. »Das hat noch kein Dressurpferd der Welt gesehen und wird es auch wohl nie wieder.«

Artikel vom 22.08.2006