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Schärfere Sicherheitsgesetze

Nach Scheitern der Bahn-Anschläge - vor Einigung über Anti-Terror-Datei

Berlin (dpa). Nach den gescheiterten Bahn-Anschlägen und der Festnahme eines mutmaßlichen Täters zeichnen sich im Anti-Terror-Kampf jetzt Verschärfungen der Sicherheitsgesetze ab.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rechnet mit einer raschen Einführung der gemeinsamen Anti-Terror-Datei für Polizei und Geheimdienste. Weitgehende Übereinstimmung besteht über die Ausweitung der Videoüberwachung. Unionspolitiker forderten zudem die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung und bewaffnete Zugbegleiter für die Bahn.
Der entscheidende Tipp für den in Kiel festgenommenen verdächtigen Studenten kam vom militärischen Nachrichtendienst im Libanon, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Der 21-jährige Libanese war am Samstag am Kieler Hauptbahnhof festgenommen worden. Am Sonntag erging Haftbefehl.
Nach Ansicht der Bundesregierung hatten die beiden mutmaßlichen Bahn-Bombenleger Unterstützer. »Mein Eindruck ist, dass da schon mehrere mitgewirkt haben im Hintergrund«, sagte Innen-Staatssekretär August Hanning. Man müsse prüfen, ob es Terrorstrukturen in Deutschland gebe, denn die Konstruktion der Bomben setze »einiges handwerkliches Geschick voraus«.
Das Umfeld des in Kiel festgenommenen Libanesen soll Verbindungen zu der islamistischen und anti-israelischen Partei Hizb ut-Tahrir (»Partei der Befreiung«) unterhalten. Das schreibt der Berliner »Tagesspiegel« unter Berufung auf Erkenntnisse deutscher Sicherheitskreise. Die Anfang 2003 vom Bundesinnenministerium verbotene Organisation will alle Moslems in einem einzigen Gottesstaat vereinigen. Ihre Zentrale befinde sich im Libanon.
Nach Auffassung von Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) müssen jetzt Sicherheitslücken geschlossen werden. Dazu gehörten neben der Ergänzung der Anti-Terror-Gesetze die Anti-Terror-Datei sowie eine verstärkte Videoüberwachung an Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen. »Außerdem müssen wir über die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung nachdenken«, sagte er. Auch die FDP ist für schärfere Sicherheitsmaßnahmen. Dabei sei die Videoüberwachung »ein vernünftiges Instrument«, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle.
Schleswig-Holsteins SPD-Innenminister Ralf Stegner unterstützte eine schnelle Einführung der Anti-Terror-Datei. »Ich bin sehr dafür, dass wir das nicht weiter zerreden, sondern das wir das jetzt endlich machen.« SPD-Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper forderte die Länder auf, wegen des Schutzes von Quellen auf eine »Volltext-Datei« zu verzichten. Zudem müssten die bei der Föderalismusreform beschlossenen zusätzlichen Befugnisse für das Bundeskriminalamt (BKA) jetzt zügig per Gesetz geschaffen werden. Der Parlamentarische Grünen-Geschäftsführer Volker Beck hält eine »Indexdatei« (eine Art Inhaltsverzeichnis über die Dateien der Dienste) für zwingend erforderlich.
Gegen eine begrenzte Ausweitung der Videoüberwachung bestehen keine Einwände. Es gehe nicht um eine flächendeckende Überwachung, erklärte Bosbach. Auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will eine Ausweitung der Videoüberwachung und eine Speicherung für 24 Stunden.
Auf gemischte Resonanz stieß der Vorschlag, nach dem Vorbild der so genannten Sky Marshalls in Zügen »Rail Marshalls« einzuführen, den der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger unterbreitet hatte. Merkel sagte dazu: »Ich glaube nicht, dass die bewaffneten Zugbegleiter in den Zügen die richtige Antwort sind auf die Bedrohung, der wir uns ausgesetzt sehen.« Nach Ansicht der Bahn nimmt die Bundespolizei schon heute die Funktion der geforderten »Rail Marshalls« wahr. Das sagte das Vorstandsmitglied der Bahn, Otto Wiesheu, dem »Mannheimer Morgen«. Sicherheitsmaßnahmen wie beim Fliegen seien bei der Bahn aber wegen der vielen Reisenden gar nicht möglich.

Artikel vom 22.08.2006