25.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Grundkonsens der ganz frühen Phase


Fortsetzung von Seite 9

Das katholische Hochstift mit den damals gebildeten vier Kreisen Paderborn, Höxter, Warburg und Büren zeichnete sich schnell als kommende Hochburg der Christdemokraten ab. Eine Großzahl von Ortsvereinsgründungen erfolgte noch 1945. Dabei war es gerade in den katholischen Gebieten eine Überlebensfrage für die neue Partei, wie weit es ihr gelänge alte Zentrumswähler von dem neuen Projekt zu überzeugen. Das gelang in den Kreisen Paderborn und Höxter tendenziell besser als in Warburg und Büren.
Die FDP steht am klarsten für eine Neugründung von unten nach oben. Sie ist das Ergebnis einer Reihe regionaler Gründungen, die mit unterschiedlichen Bezeichnungen an verschiedene Weimarer Traditionen anknüpfte. Zugleich wurden auch politisch Fernstehende, selbst ehemalige NS-Parteigenossen, angesprochen, um sie für den Neuanfang zu gewinnen.
»Alte Kameraden und einige wenige junge Hüpfer« wie er selbst waren zum Beispiel bei der Gründung des FDP-Ortsvereins in Bad Driburg dabei, erinnert sich Ulrich Focke, heute 79 Jahre alt. Es ging ihm damals »um den Erhalt des Vaterlandes« und dass »Deutschland nicht untergebuttert wurde«. Dabei war ihm die liberale Stimme wichtig. Denn niemand wusste wirklich, wie das in Zonen aufgeteilte Deutschland wieder auf die Füße kommen sollte und eines Tages wieder aussehen würde.
Am 10. November hatten die Bielefelder Liberalen als erste ihre Zulassung beantragt, mussten aber bis April 1946 warten, bis sie von den Briten das notwendige »Okay« für Versammlungen und das Verteilen von Flugblättern bekamen. OB Ladebeck sei in dieser Phase wenig hilfreich gewesen, heißt es in den Quellen und man beschäftigte sich auch fleißig mit sich selbst. Der Geschäftsführer des Stadtkreisverbandes Bielefeld, Hoepner, notierte, »wohl wirkt hier eine etwas wilde Gesellschaft als 'Demokratische Aktion'«.
Einen Bezirksverband gab es noch nicht und die Bemühungen des kommenden Vormanns der Liberalen in OWL, Heinz Krekeler aus Lemgo, scheiterten mitunter daran, dass er kein Benzin für sein Motorrad bekam. Bezugsscheine fehlten ihm auch für die Teilnahme an der Gründung des FDP-Zonenverbandes im Januar 1946 in Opladen.
Wegen ihres etwas späteren Starts waren die Liberalen bei den ersten Kreis- und Gemeindewahlen 1946 sehr schwach vertreten. Die Landtagswahlen 1947 zeigten schon deutlicher deren Schwerpunkte: Bielefeld (8,6 Prozent), Lemgo (7,2), Detmold (5,7) Herford (5,6). Eine Blüte erlebten die Liberalen bei den Kommunalwahlen 1952. Damals kamen sie landesweit auf 12,6 Prozent.
Krekeler wurde erster Botschafter der Bundesrepublik in den USA. Nicht minder prominent war das Herforder Mitglied Hermann Höpker-Aschoff. Im Parlamentarischen Rat wirkte er mit am Grundgesetz der 1949 gegründeten Bundesrepublik. Danach rückte er an die Spitze des Bundesverfassungsgerichts.
Professor Lothar Albertin sieht die »Formierungsphase« bei den Parteiengründungen in der Region 1948 als weitgehend abgeschlossen an. Er erkennt in ihr einen wesentlichen Stabiltätsanker für die kommenden Jahre. Ohne sie wäre der rasante Aufstieg aus dem Nichts nicht gelungen, ist Albertin überzeugt.
Auch die Tatsache, dass die spätere Protestbewegung gegen die Wiederbewaffnung nicht in eine anhaltenden Fundamentalopposition überging, führt Albertin auf jenen Grundkonsens zurück, den die Demokraten in ihrer ganz frühen Phase fanden.

Artikel vom 25.08.2006