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6 000 »Tags«
allein in der
Innenstadt

»stadtklar« gegen Farbschmierer

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Farbschmierereien an Hauswänden sind keine Dumme-Jungen-Streiche,« sagt Hans-Friedrich Thoben, Vorsitzender des vor fünf Jahren gegründeten Vereins »stadtklar«. So entstehe allein in Bielefeld pro Jahr ein Schaden in Höhe von 140 000 Euro. Die Schäden, die deutschlandweit durch »Tags« (Signaturen) und »Pieces« (Bilder) verursacht werden, werden auf 200 bis 500 Millionen Euro geschätzt.

Mit einem neuen Informationsfaltblatt und einem Internetauftritt, der sich an Eltern, Lehrer, Hausbesitzer, aber auch an die Sprayer selbst wendet, will der Verein Farbschmierereien verhindern, Tipps zu deren Beseitigung geben, aber auch dazu beitragen, dass die meist jugendlichen Täter sich zu dem bekennen, was sie getan haben, bevor sie in die so genannte »harte Szene« abgleiten.
Günter Kuhr, Polizeihauptmeister aus Münster, hat den Internet-Auftritt neu auf Bielefeld zugeschnitten. In Münster werden ähnliche Seiten mehr als 10 000 Mal pro Monat angeklickt. Kuhr: »Wir haben gute Erfahrung mit der Präsentation im Internet gemacht.« Farbschmierereien seien Sachbeschädigungen und deshalb eine Straftat - seit einem Jahr sei das so genannte Graffiti-Bekämpfungsgesetz in Kraft. Auf der Internetseite werden die Täter unter anderem darüber aufgeklärt, was finanziell (und womöglich strafrechtlich) auf sie zukommt. Kuhr: »Den Schaden, den sie anrichten, ist den Tätern meist gar nicht richtig bewusst.«
Seine Beispiele:
l Ein »Tag«, also eine Signatur, anzubringen dauert drei Sekunden, die Entfernung kostet 140 Euro.
l Ein Bild (»Piece«) zu sprayen dauert 20 Minuten, es zu entfernen kostet 1400 Euro.
l Ein »Scratching« - eine Scheibe einer Stadtbahn oder eines Busses zu zerkratzen, dauert Sekunden, es zu entfernen kostet 1300 Euro - oder die Bahn wird aus Sicherheitsgründen sogar bis zur Reparatur still gelegt.
Kuhr hält viel vom so genannten Täter-Opfer-Ausgleich: »90 Prozent der Täter, die sich dort beteiligen, werden nicht wieder rückfällig.«
Die »stadtklar«-Mitarbeiter reinigen pro Jahr 9000 Quadratmeter Flächen an öffentlichen Gebäuden in Bielefeld, aber Fachberaterin Bettina Schoplick weiß: »Allein an den großen Ausfallstraßen ausschließlich in der Innenstadt gibt es gut 6000 Tags - und die Anzahl ändert sich im Großen und Ganzen nicht.« Was allerdings nicht bedeute, dass der Kampf gegen illegale Graffiti aussichtslos sei: »Da, wo wir gereinigt haben, besonders an Schulen, nimmt die Farbschmiererei ab.« Thomas Niekamp vom Sozial- und Kriminalpräventiven Rat der Stadt plant, Sprayern, die echte Bilder anbringen möchten, legale Flächen anzubieten - »mit festen Regeln und unter Betreuung«. Flächen selbst gebe es, so Niekamp: »Wohnungsbaugesellschaften oder auch Hausbesitzer, deren Leidensdruck inzwischen groß ist, weil immer wieder neue 'Tags' ihre Immobilien verschandeln, sind bereit, Bilder sprayen zu lassen.«
Was ihn aufbringt: dass die Industrie Sprühdosenlacke als speziell auf - illegale - Sprayer zugeschnittene Produkte auf den Markt bringt. Niekamp: »Ohne Kugel und damit absolut lautlos.«

Artikel vom 19.08.2006