25.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Operation
»Marriage« gelungen
Von Reinhard Brockmann

In 60 Jahren zum Idealpaar


Es war weder Liebe auf den ersten Blick noch die Vollendung einer wunderbaren Freundschaft, als Nordrhein und Westfalen vor 60 Jahren von den Besatzern zwangsverheiratet wurden.
Die Menschen zwischen Minden und Monschau wurden nicht einmal gefragt. Hätte man es doch getan, sie hätten vermutlich erklärt, dass sie ganz andere Sorgen haben. Und dennoch hat die militärisch-diplomatische »Operation Marriage« durchaus ein Idealpaar zusammengeführt. Na, bitte. Die Brautleute rauften sich Jahr für Jahr besser zusammen.
Heute könnte man den Bindestrich zwischen Nordrhein und Westfalen getrost weglassen.
In sechs Jahrzehnten hat NRW gute und schlechte Zeiten erlebt. Der bescheidene Beginn und das stürmische Wirtschaftswunder mit Werkbank an der Ruhr und Verwaltung am Rhein ließen das Land in den 1950er und 60er Jahren aufblühen. Unvorstellbar: Dortmund lehnte damals die Ansiedlung eines Opelwerkes ab. Man hatte genug zu tun mit Kohle und Stahl.
Als man dann in den 70er und 80er Jahren »der Lokomotive in voller Fahrt die Räder wechseln« wollte (Bodo Hombach/Buchtitel), war es zu spät. Der versäumte Strukturwandel kostete die SPD nach 39 Jahren die Macht. »Wir in NRW«, das war jahrzehntelang einzig und allein die NRW-SPD. Heute ist sie ein Sanierungsfall - inhaltlich ausgebrannt, intellektuell ausgedünnt, personell ausgezehrt -, bis sie eines Tages wiederkommt.
Die frühen Ministerpräsidenten Karl Arnold (CDU), Fritz Steinhoff (SPD), Franz Meyers (CDU) und Heinz Kühn (SPD) haben Großes für dieses Land geleistet. Daran wird in diesen Tagen des Feierns zu erinnern sein. Alle überragend und allen Landeskindern noch absolut präsent: Johannes Rau.
Der Wuppertaler steht wie kein anderer für dieses Bundesland. Alle Nachfolger verharren in Raus Schatten. Selbst der amtierende CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der dem Land einen entschiedenen Wandel verordnet hat, muss sich noch an dem großen Johannes Rau messen lassen. Und: Rüttgers kommt durchaus an im alten Stammland der SPD. Die meisten erklären sich das bis vor kurzem unvorstellbare Phänomen so: Rüttgers regiere »wie bei Rau«.
Parteipolitisch mag das unerwünscht sein, aber als Landesvater muss solches Lob dem Neuen in der Staatskanzlei schmeicheln.
Nach 60 Jahren steht die Identifizierung der Bürger an Rhein und Weser mit »ihren« Ministerpräsidenten für eine gewachsene Gemeinschaft und belastbare Partnerschaft.
Die »große Lösung« von damals - Ruhrgebiet plus zwei alte preußische Provinzen - ist bis heute die bessere Variante. Zur weiteren überfälligen Föderalismusreform gehört das Eingeständis, dass Kleinstaaterei nur Geld kostet und der Eitelkeit weniger Besitzstandswahrer geschuldet ist.
Ostwestfalen-Lippe allein steht für größere Wirtschaftskraft als manches Zwergenland zwischen Saar und Oder. Dennoch käme niemand auf die Idee, aus dem NRW-Verbund ausscheren zu wollen - auch das ein Beleg für die anhaltende Richtigkeit der damaligen Entscheidung.

Artikel vom 25.08.2006