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Von Michael Schläger

Bielefelder
Optik

Die Pokerpartie ist eröffnet


Pokern ist angesagt. Das amerikanische Kartenglücksspiel erlebt zurzeit eine Renaissance. Auch in der Politik versteht man sich auf dieses Spiel. Eine Partie besonderer Art hat Oberbürgermeister Eberhard David in dieser Woche im Rathaus eröffnet: das Dezernenten-Pokern.
Mit dem Ausscheiden des Kulturbeigeordneten Rainer Ludwig wird gleichzeitig ein alter Ratsbeschluss umgesetzt. Rathaus-Dezernenten soll es künftig nur noch vier statt bisher fünf geben. Die Aufgaben unter den Verbleibenden müssen neu verteilt werden. David hat dazu einen Vorschlag gemacht.
Zumindest zwei von ihnen müssen unruhig sein. Die beiden CDU-Beigeordneten Franz-Josef Löseke (Kämmerer) und Gregor Moss (Planen und Bauen) stehen noch in der laufenden Ratsperiode zur Wiederwahl. Doch eine Mehrheit im Rat gibt es für sie nach dem Patt bei der Kommunalwahl 2004 erst einmal nicht. Die Union muss in der Pokerpartie also so spielen, dass sie ihre Mitspieler nicht vergrault.
Sie kann das über eine dritte Wahlentscheidung, die ebenfalls noch vom aktuellen Rat getroffen werden muss, tun. Schuldezernent Dr. Albrecht-Peter Pohle (FDP) wird 2009 ausscheiden, sich in den Ruhestand verabschieden. Die SPD hätte gern neben ihren Sozialdezernenten Tim Kähler eine zweite Kraft im Rathaus-Kabinett. Aber dann sind da auch noch die Grünen.
Die drittstärkste Kraft im Rat ist an der Verwaltungsspitze seit dem Tod von Umweltdezernent Wolfgang du Bois nicht mehr vertreten. Die Partei hat nachhaltig ihren Anspruch auf diesen Posten, den es so eigentlich nicht mehr geben soll, erhoben. Die beiden Großen wollen sie auch nicht allzu sehr düpieren. Die Sozialdemokraten sehen die ehemals Alternativen ohnehin als geborenen Koalitionspartner. Aber auch in der Union gibt es inzwischen Stimmen, die ihnen eine hohe Verlässlichkeit bescheinigen. Schwarz-Grün funktioniert anderswo in NRW schließlich schon seit langem.
In der Pokerpartie gilt es aber auch, vorausschauend zu spielen. Woher kommen eigentlich die künftigen Oberbürgermeister? Die üblichen Politikerkarrieren - langjährige ehrenamtliche Arbeit im Rat und dann ins städtische Spitzenamt - werden nicht mehr funktionieren. Es müssen Leute sein, die sich selbst und eine Botschaft verkaufen können. Vor allem aber müssen sie bewiesen haben, dass sie einen Großbetrieb wie die Stadtverwaltung mit mehreren tausend Beschäftigen auch führen können. Dieses Top-Personal muss behutsam aufgebaut werden. Dazu kann es auch gehören, im Rathaus zunächst einmal als Dezernent gearbeitet zu haben.

Artikel vom 19.08.2006