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»Das Leben ist oft
wie ein Siebenkampf«

Nach EM-Bronze: Olympia-Medaille 2008 im Visier

Von Jürgen Drüke
Siebenstern/Bad Driburg (WB). Es war der größte Moment in ihrem bisherigen Leben: »Als ich das Siegerpodest betrat, bekam ich eine richtige Gänsehaut. So überwältigend wirkte die Atmosphäre auf mich. Diese Minuten werde ich niemals vergessen.«

Lilli Schwarzkopf als EM-Dritte gemeinsam auf dem Treppchen mit der schwedischen Goldmedaillengewinnerin Carolina Klüft. Das mit 32 000 Zuschauern ausverkaufte Ullevi-Stadion in Göteborg feierte die besten Siebenkämpferinnen Europas.
Zehn Tage ist das inzwischen her. Die Bilder mit der Top-Athletin aus dem beschaulichen Siebenstern bei Bad Driburg gingen um die Welt. »Die Ehrenrunde durch das Stadion mit der deutschen Nationalfahne, meine erste Pressekonferenz in Englisch, bei der ich etwas Lampenfieber hatte. Die vielen Glückwünsche. Das alles wirkt für mich nach wie vor noch unwirklich. Ich kann es immer noch nicht so ganz fassen, was passiert ist«, erzählt die hübsche junge Dame mit den hellblauen Augen und den blonden Haaren.
Lilli Schwarzkopf ist wieder zu Hause angekommen. In einem idyllischen Bungalow im Rotenhäuser Weg 14 in ihrem Heimatort fühlt sie sich am wohlsten. Empfänge, Glückwünsche, Umarmungen - die Welt der 22-Jährigen hat sich seit dem 8. August 2006, dem Tag des Gewinns der Bronzemedaille, verändert. Lilli ist gefragt und begehrt. Die Sportlerin des LC Paderborn freut sich über die An- und Nachfragen: »Das ist positiver Stress.« Trotzdem kann sie sich in ihrem Elternhaus von dem bis dato schönsten Sommer ihres Lebens erholen. Drei Siebenkämpfe, immer wieder Bestleistungen mit dem Happyend in Schweden. »Es passte alles«, stellt die Sportstudentin heraus.
Im Alter von sechs Jahren verließ Lilli mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester Rimma Nowpokrowka in Kirgisien (Mittelasien) und wurde in Nieheim im Kreis Höxter heimisch.
»In der neuen Heimat war es anfangs sicherlich nicht einfach. Ich wurde eingeschult und konnte kaum ein Wort Deutsch«, blickt Lilli zurück: »Doch meine damalige Lehrerin Cäcilia Klahold hat sich liebevoll um mich gekümmert.« Nach der Grundschule ging es auf das Gymnasium St. Xaver in Bad Driburg: »Es gab hier einige Lehrer, die mich spüren ließen, woher ich kam«, erinnert sie sich an Vorurteile gewisser Pädagogen.
Die Kämpfernatur biss sich durch. Dabei half ihr auch ihre Zeit als Funkenmariechen in Nieheim: »Das war so schön.« Lilli Schwarzkopf träumte von einer Karriere als Tänzerin. »Dabei haben mich immer wieder die Bilder von Tanzturnieren im Fernsehen beeindruckt«, sagt sie.
1996 kaufte die Familie Schwarzkopf ein Haus in Siebenstern. Die Welt für die damals 13-Jährige war noch kleiner geworden. In der 420-Seelengemeinde gab es keinen Sportverein und in ihrem Alter nur Jungen. »Ich hatte damals so unendlich viel Energie«, sagt Lilli. »Ich fühlte mich zum Sport hingezogen.« Gut, dass Papa Reinhold Leichtathletik-Trainer bei der LG Lippe-Süd war. Irgendwann nahm er Lilli mit zum Training und die fand Gefallen am Laufen und Springen. Es folgte die erste Kreismeisterschaft im Siebenkampf, die die damals 14-Jährige mit 50 Punkten Vorsprung vor ihrer einzigen Konkurrentin gewann. Es war der 10. Mai 1998, als mit diesem Erfolg der Stern von Lilli Schwarzkopf am Siebenkampf-Himmel aufging.
»Jeder Mensch hat ein Talent. Das muss nur entsprechend gefördet werden«, ist die Athletin, deren Vorbild Tennis-Ikone Steffi Graf ist, überzeugt. Natürlich müsse entsprechend trainiert und gearbeitet werden. »Das Leben ist oft wie ein Siebenkampf. Es gibt immer wieder Momente, wo du denkst, es geht nichts mehr. Doch mit der entsprechenden Einstellung kannst du fast alles schaffen«, ist die 22-Jährige sicher.
Für die Athletin, die 2 001 mit ihrem Vater zum LC Paderborn wechselte, ging es in der Tat nur nach vorn. Sport und Uni bekommt sie gut unter einen Hut. Mutter Amalia und Vater Reinhold unterstützen ihre Tochter in jeder Sekunde. Seit zwei Jahren heißt ihr Freund Georg Kruschinski, ein starker Zehnkämpfer des LC Paderborn. »Er gibt mir so viel Halt und ist gut für meine Motivation«, sagt Lilli liebevoll.
Der Sportsommer 2006 ist für die Top-Athletin aus dem Kreis Höxter beendet. »Ich trainere natürlich noch weiter.« Im September gibt es dann eine Pause, bevor die Vorbereitung auf die nächsten großen Ziele erfolgt: 2 007 geht es zur Weltmeisterschaft nach Osaka und 2008 zu Olympia nach Peking. »Wenn ich gesund bleibe, ist das für mich das größte Glück. Mein Traum ist eine Medaille in Peking.«

Artikel vom 18.08.2006