12.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gradliniger Typ

Dicht
am
SCP

Von Matthias Reichstein

War es der Auftritt von Wilfried Finke in der Spielerkabine, hat der Präsident tatsächlich ohne Wissen der sportlichen Leitung mit anderen Spielern verhandelt? Oder fußt das ganze Trainer-Theater nur auf einem großen Missverständnis? Dann wäre die Paderborner Provinz-Posse allerdings perfekt.
Die Fakten, warum Jos Luhukay gestern eine Vollbremsung vollzog und von seinem Amt zurücktrat, werden vom Trainer öffentlich nicht diskutiert. Um so mehr darf spekuliert werden. Denn die Gründe, die Luhukay für seine Kündigung anführt, sind an Deutlichkeit nicht zu überbieten. Die Vertrauensbasis mit dem Präsidenten und dem Geschäftsführer sei zerbrochen und zerstört worden. Statt einem Miteinander und Füreinander gab's nur ein Gegeneinander und für Luhukay die Erkenntnis: Hier ziehen nicht mehr alle an einem Strang.
Die Augen waren feucht, die Stimme belegt und die Hände zitterten - wie schwer dem 43-Jährigen der Schritt gefallen ist, zwei Tage vor dem Saisonstart s e i n e Mannschaft zu verlassen, war unübersehbar.
Dieser Mann stand zu hundert Prozent zu seinem Team und genau da liegt die Ursache. Dass der SCP-Boss der Mannschaft die Leviten liest, ist in Paderborn nicht ungewöhnlich. Dass Finke sich aktiv in die Transferpolitik einschaltet, eben so wenig. Doch diesmal hat der Hauptsponsor den Bogen überspannt. Luhukay ließ sich nicht gefallen, was seine Vorgänger zähneknirschend erduldeten.
Wie geht's weiter?
Wer Luhukay kennt, der weiß, dieser Coach vollzieht nicht den Rücktritt vom Rücktritt. Einen Nachfolger zu finden, ist allerdings auch nicht schwer. Es gibt schließlich nur 36 Arbeitsplätze dieser Art in Deutschland. Doch Luhukay war nicht irgendein Coach. Er hat der Mannschaft das Gesicht gegeben, mit attraktiven Offensiv-Fußball eine noch nie gekannte Fußball-Euphorie an der Pader entfacht und den SCP zum besten Zweitliga-Aufsteiger Deutschlands gemacht. Das war Extraklasse, genau wie sein Abgang. Nicht durch die Hintertür, sondern geradeaus.
So, wie Jos Luhukay eben ist: ein gradliniger Trainer-Typ.

Artikel vom 12.08.2006