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»Ich war wie eingemeißelt«

Silber-Dame Franka Dietzsch passt die Weite nicht

Göteborg (dpa). Als der letzte Diskus im Käfig hängen blieb, fühlte sich Franka Dietzsch wie hinter schwedischen Gardinen: »Ich war wie eingemeißelt, spürte eine innere Anspannung, aber eine äußere Lähmung. Mit Silber kann ich leben - aber die Weite kotzt mich an.«

Eine halbe Stunde nach dem Wettkampf brach es aus der zweifachen Weltmeisterin heraus, für die es in Europa nur zum zweiten Platz reichte. Bei 64,35 Meter schlug der Diskus auf - das erhoffte Gold landete aber in Russland, Darja Pischalnikowa hatte 1,20 Meter weiter geworfen.
Franka Dietzsch verstand die Welt nicht mehr, ihr Lächeln wirkte so gequält wie ihr erster Kommentar: »Ich freue mich über Silber - für 38 Jahre ist das doch okay.« Nur beim Einwerfen war sie diesmal Europameisterin. »Da war ich so gut drauf, dass ich meinen Trainer nicht mal nach der Weite fragen wollte«, meinte sie. Mit der Jahresweltbestleistung von 68,51 Metern kam die Europameisterin von 1998 nach Göteborg, sogar 70 Meter hatte sich die scheinbar sichere Gold-Bank für das Finale vorgenommen.
»Ich war in der Form meines Lebens.« Und dann 64,35? »Das ist ein Witz. Da kannst du mich sonst um Mitternacht wecken, und ich haue so eine Weite raus.« Die nächste »Enttäuschung« folgte nach dem Wettkampf. »Ich musste nicht zur Dopingkontrolle. Die wollen mich nicht. Ich habe sogar nachgefragt«, sagte Franka Dietzsch fassungslos. So etwas hatte sie noch nie erlebt.
Die 70 Meter will die Bankangestellte nun im nächsten Jahr bei der Weltmeisterschaft in Osaka oder bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking erstmals übertreffen. »Bei der WM 2009 in Berlin bin ich auch nur drei Jahre älter. Warum nicht«? Die Familienplanung muss weiter zurückstehen: »Sport und Kinderwunsch lassen sich nicht vereinbaren.«
Erfolgstrainer Dieter Kollark suchte erst gar keine Ausreden. »Wir haben verloren. Das Leben ist nicht so, dass sie immer gewinnt. Sie war müde auf den Beinen und konnte den Turbo nicht zünden. Das war nicht Frankas Tag«, meinte der erfahrene Coach, der die Kugelstoßerin Astrid Kumbernuss zu drei WM-Titeln und zum Olympiasieg 1996 in Atlanta geführt hatte. »Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Sie ist Weltmeisterin und damit immer noch die Beste«, erklärte Kollark.
Das will die neunmalige deutsche Meisterin noch in diesem Herbst unter Beweis stellen. »Beim Weltcup in Athen werde ich Pischalnikowa ja wiedersehen.« In der griechischen Hauptstadt ist dann Mitte September zum Saisonende großer Zahltag, auch eine Woche zuvor rollt der Rubel beim World Athletics Final: Bei der Mini-WM in Stuttgart trifft sich die Creme de la Creme der Welt-Leichtathletik. Und schon am Dienstag holt Franka Dietzsch bei einem Meeting im sächsischen Thum zum nächsten Wurf aus.

Artikel vom 12.08.2006