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Lebensmittelvorräte reichen
in Tyrus nur noch zwei Tage

Versorgung der eine Million Flüchtlinge in Libanon immer schwieriger

Tyrus/Jerusalem (Reuters/dpa). In der südlibanesischen Hafenstadt Tyrus werden wegen ausbleibender Hilfslieferungen die Nahrungsmittel knapp. Seit der Unterbrechung der letzten Straßenverbindung seien keine Hilfskonvois mehr eingetroffen, sagte Bürgermeister Abdel-Mohsen al-Husseini.

»Unsere Lebensmittelvorräte reichen nicht länger als zwei Tage«, warnte das Stadtoberhaupt. Die Stadt habe das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) gebeten, eine provisorische Brücke über den Litani-Fluss zu schlagen, warte aber noch auf Antwort. Die israelische Luftwaffe hatte am Montag die letzte Brücke über den Litani zerstört und damit die Straßenverbindungen nach Tyrus unterbrochen.
Die Versorgung der schätzungsweise eine Million Flüchtlinge erweist sich als zunehmend schwierig. Das IKRK hat sich nach Angaben einer Sprecherin vergebens bemüht, Hunderte Verwundete und Kranke aus Dörfern im Kriegsgebiet nach Norden in Sicherheit zu bringen. »Die Zeit für einen verbesserten Zugang zu den Flüchtlingen ist längst überfällig«, warnte IKRK-Chef Jakob Kellenberger nach Gesprächen in Jerusalem. In libanesischen Krankenhäusern gehen lebenswichtige Güter zur Neige. Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO mitteilte, fehlen flüssiger Sauerstoff, Medikamente, Hilfskräfte und Treibstoff für die Stromversorgung. Dieses Bild ergebe sich nach einer Befragung von 23 der 28 öffentlichen Krankenhäuser.
Bei neuen Angriffen der israelischen Luftwaffe im Norden des Libanon sind am Freitag mindestens zwölf Menschen getötet worden. Wie der libanesische Zivilschutz weiter mitteilte, wurden bei einer Attacke auf die Al-Hissa-Brücke in Akkar zunächst fünf Libanesen tödlich verletzt. Als Dorfbewohner dann zu der Brücke eilten, um Verletzten zu helfen, habe die Luftwaffe erneut angegriffen. Unterdessen gab es wieder heftige Kämpfe zwischen israelischen Bodentruppen und der Hisbollah-Miliz im südöstlichen Grenzgebiet des Libanons. Nach israelischen Armeeangaben wurde dabei ein israelischer Soldat getötet, neun weitere wurden verletzt.
Die libanesische Hisbollah-Miliz feuerte am Freitag mehr als 50 Raketen auf den Norden Israels ab. Dabei seien die Stadt Haifa und mehrere Ortschaften angegriffen worden, berichteten israelische Medien. In Haifa seien Gebäude direkt getroffen worden. Es habe mehrere Verletzte gegeben. Ein französischer Soldat ist im Hauptquartier der UNIFIL-Truppen im Libanon durch eine Rakete der Hisbollah leicht verletzt worden. Das berichtete ein Sprecher der internationalen UN-Truppe.
Der Krieg im Libanon bringt Israels Ministerpräsidenten Ehud Olmert innenpolitisch unter Druck. Zwei am Freitag veröffentlichten Umfragen zufolge sank die Zustimmung zu Olmert Kriegspolitik rapide. Militärvertreter kritisierten zudem die Entscheidung der Regierung, wegen der diplomatischen Bemühungen um einen Waffenstillstand die Ausweitung der Bodenoffensive auszusetzen. Die Unterstützung für Olmert ist wegen der zunehmenden Zahl israelischer Opfer und dem ungebrochenen Raketenbeschuss durch die Hisbollah von 75 Prozent bei Kriegsbeginn auf 48 Prozent gefallen.
Auf Initiative arabischer und islamischer Länder hat der neue UN-Menschenrechtsrat am Freitag in Genf das israelische Vorgehen im Libanon verurteilt und ein sofortiges Ende der Militäroperationen gefordert. Die Mehrheit der 47 Mitgliedsländer stimmte für eine Resolution, die Israel der systematischen Verletzung der Menschenrechte und internationaler Abkommen beschuldigt.
Frankreich und die USA einigten sich am Freitag nach hartem Ringen auf eine Libanon-Resolution, die sie dem Weltsicherheitsrat noch in der Nacht vorlegen wollten. Der angestrebte Kompromiss sieht nach Angaben von Diplomaten so aus, dass die Israelis nicht sofort vollständig aus dem Libanon abziehen, wohl aber damit beginnen sollen. Während sich die Israelis stufenweise zurückziehen, sollen libanesische Soldaten in das Gebiet einrücken und die UN-Blauhelm-Soldaten dort verstärkt werden. Es hieß, alles hänge von der libanesischen und der israelischen Regierung ab.Themen der Zeit:
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Artikel vom 12.08.2006