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Vom Reiz des Gegensätzlichen

Galerie Samuelis Baumgarte präsentiert Stahlwerke von Ulrich Krämer

Von Uta Jostwerner
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Nein, es handelt sich nicht um ein Heer von Außerirdischen, das in die Räume der Galerie Samuelis Baumgarte, Dependance Obernstraße, eingefallen ist. Vielmehr sind es die Stahlskulpturen von Ulrich Krämer, die auf den ersten Blick glauben machen, Gestalten aus einschlägigen Science-fiction-Filmen gegenüberzustehen.

Die Torsi mit ihren lang gewölbten Schädeldecken schuf der Essener Künstler auch nicht nach dem Konsum einschlägiger Filme, sondern die Kopftuchdebatte in den Medien lieferte den nötigen Input, um sich des Themas »Kopftuch« anzunehmen. »Das ging mir irgendwann nicht mehr aus dem Kopf«, sagt der 43-Jährige, dessen Werke von einem gewollten Eigensinn und einem eigenartigen Spannungsverhältnis beherrscht werden, steht doch die Härte des Materials Stahl in einem scheinbaren Gegensatz zu den organisch-filigranen Formen, die Krämer daraus kreiert.
Baumgarte präsentiert derzeit neuere Arbeiten des freischaffenden Künstlers. Es handelt sich um Skulpturen, denen das Prinzip der Verformung zugrunde liegt. Krämer kreiert, indem er den Werkstoff durchtrennt und die Teile neu zu raumgreifenden Skulpturen zusammenfügt. Dabei frönt er beim Zusammensetzen, das in schnellen Arbeitsschritten erfolgt, einer Art Spiellaune.
Krämer verwendet industrielle Stahlbleche der einfachsten Qualität, die er mit dem Plasma-Schneider in kleine Stücke zerteilt. Die Bleche werden anschließend in einer Walze, ähnlich einer Wäschemangel, kalt verformt. Zusammengeschweißt ergeben diese Teile einen neuen Rohbau, der unter hohen Stromstärken verflüssigt wird. Damit wird die atomare Struktur des Materials verändert, das eine tiefgreifende Transformation erlebt.
Der Künstler fügt anschließend dem flüssigen Stahl weitere Materialien hinzu. Dies jedoch erst, wenn der Schmelzpunkt weit überschritten ist und das neue Material Tropfen bildet. So erreicht Krämer, der die Skulpturen des weiteren mit einem Fugenhobler bearbeitet, ein erneutes Auflösen der Form. Spricht der Kunsthistoriker in diesem Zusammenhang gerne von der »poetischen Destruktion« in Krämers ĂŽuvre, so redet der Künstler selbst vom »Kaputtmachen«. Krämer: »Gut kaputtmachen ist schwer zuzulassen.«
Nichtsdestoweniger lenkt Krämer seine ganze Aufmerksamkeit auf die Oberflächenbearbeitung. Das Material wirft Blasen, zeigt Risse und scheint regelrecht zu blühen. Der Gehäusecharakter vieler seiner Werke impliziert zudem Geborgenheit. In jedem Fall aber liegt all seinen Werke eine starke Ästhetik und große Sinnlichkeit zugrunde.
Ulrich Krämer, 1963 in Düsseldorf geboren, absolvierte von 1989 bis 1992 eine Ausbildung bei dem Essener Bildhauer Herbert Lungwitz. Seit 1992 ist der Künstler als freischaffender Bildhauer tätig. Seit 2003 ist Ulrich Krämer außerdem Dozent an der freien Kunstakademie AG Essen.
Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Einzelausstellungen im In- und Ausland präsentiert, unter anderem auf der »Oberhauser Kunstmeile«, der »Vulcano Art« in Zürich und zuletzt beim Projekt »Skulptur draußen« in Köln.
Die Ausstellung läuft bis zum 10. September. Geöffnet: dienstags bis freitags von 12 bis 18 Uhr, samstags von 10 bis 14 Uhr sowie nach Absprache (Tel.: 17 35 32).

Artikel vom 12.08.2006