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»Privatisierung kostet Arbeitsplätze«

Hans-Georg Vogt, Vorstand der Sparkasse Bielefeld, über den Streit um die Marke Sparkasse

Bielefeld (WB). Hans-Georg Vogt, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bielefeld und Landesobmann der 76 westfälisch-lippischen Sparkassen, sorgt sich wegen der derzeitigen Privatisierungsdebatte um die Zukunft der Sparkassen. Vogt, der an diesem Samstag 60 Jahre alt wird, betont im Gespräch mit Redakteur Edgar Fels aber auch, die derzeitige Gesetzeslage erlaube es privaten Investoren nicht, Sparkassen zu kaufen.

Herr Vogt, in Brüssel, Berlin und Düsseldorf wird um die Zukunft der Sparkassen gerungen. An diesem Samstag feiern Sie ihren 60. Geburtstag. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wofür würden Sie sich entscheiden?Im Prinzip sollte sich wenig ändern. Änderungen bringen nicht immer Fortschritt und Verbrauchernnutzen.

Brüssel will erreichen, dass bei einem Verkauf von Sparkassen auch Banken und Finanzinvestoren einsteigen dürfen, was bisher nicht möglich ist. Ihr Verband, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, kurz DSGV, wehrt sich heftig. Was wäre die Folge?Der Begriff Sparkasse ist im Kreditwesengesetz genau definiert. Darin heißt es, dass sich ein Kreditinstitut nur dann als Sparkasse bezeichnen kann, wenn es öffentlich-rechtlich ist. Die Marke Sparkasse stellt ein hohes Gut im Verbraucherschutz dar. Der Kunde weiß, was er von einer Sparkasse zu erwarten hat: Gemeinwohlorientierte Geschäftspolitik und Förderung der Region durch das Regionalprinzip. Ein privater Investor würde dagegen sein Investment renditeorientiert sehen.

Sparkassen sind also für private Banken begehrte Kreditinstitute? Die Privaten würden natürlich zunächst einmal Sparkassen kaufen, die in Ballungsgebieten liegen. Dort würden sie den größten Erfolg vermuten. Übrig blieben Sparkassen, die die Fläche versorgen, also vor allem in den ländlichen Bereichen. Dies aber würde zu einer Schwächung des Sparkassenfinanzverbundes führen. Betroffen wären auch die Landesbanken und die Fondsgesellschaft Deka.

Was sind die Folgen für den Kunden? Der Wettbewerb im Bankensektor würde geschwächt, das wiederum würde die Bankdienstleistungen verteuern. Großbritannien ist ein Beispiel für diese Entwickung.

Wie weit entfernt sind wir von diesem Szenario? Ein ganzes Stück. Denn um Sparkassen kaufen zu können, müsste das Sparkassengesetz geändert werden. Das ist Sache der Länder. Bislang hat sich der nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen gegen eine Privatisierung von Sparkassen ausgesprochen. Darauf verlassen wir uns.

Und doch beschäftigt der Streit um den Schutz des Namens »Sparkasse« jetzt sogar die EU-Kommission in Brüssel. Da geht es nur um den Verkauf der Berliner Sparkasse. Ein Sonderfall. Das Land Berlin muss sich von dem Institut trennen. Brüssel beanstandet nun, dass private Investoren von einem Kauf ausgeschlossen werden sollen.

Dem Bürger auf der Straße könnte das Gezänk doch egal sein. Nein, dem Bürger und der Region kann es nicht egal sein. Ein privater Investor wird nicht, wie bisher die Sparkasse, einen Teil der Gewinne an die Kommunen ausschütten. Zudem profitiert die Region von dem Sponsoring und den Stiftungen der Sparkassen.

In Ostwestfalen-Lippe gibt es 17 Sparkassen. Was würde eine Privatisierung für deren Mitarbeiter bedeuten?Zweifellos wäre eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen in Gefahr. Es würde auch weniger Ausbildungsplätze geben.

Der Kaufpreis der Berliner Sparkasse soll Experten zufolge bei vier Milliarden Euro liegen. Große und vor allem finanzstarke ausländische Banken könnten mitbieten. Was sollte der DSGV tun?Die Sparkassenorganisation sollte sich für einen Erwerb stark machen. Strategie und Wirtschaftlichkeit müssen sich aber die Waage halten.

Was sagt ihr Gefühl?Ich denke, die Sparkassenorganisation hat gute Chancen. Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Qualität. Schließlich sind auch Arbeitsplätze in Berlin ein Kriterium. Mitte 2007, wenn der Senat in Berlin entschieden hat, wissen wir mehr.

Artikel vom 12.08.2006