19.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Einmal richtig »knechten«
Tagesausflug in die Vergangenheit: Arbeiten wie zu Ururomas Zeiten
Puh, ganz schön anstrengend, diese »guten, alten Zeiten«! Rebekka und Alina beugen sich über den hölzernen Waschzuber und schrubben die weißen Rüschenhosen, bis die Finger schrumpelig sind.
Wie praktisch wäre es doch, schnell etwas Pulver in die Waschmaschine zu kippen und aufs Knöpfchen zu drücken. Aber nein: Heute machen die beiden »Mägde« einen Ausflug in Ururomas Zeiten.
Und da gab's keinen Strom, nur die Kraft der Hände. Holz hacken, Wasser holen, im Kessel überm Herd erhitzen: Bis die 15 Kinder, die an diesem Tag im Bauernhaus-Museum Bielefeld wie Magd und Knecht vor 100 Jahren arbeiten wollen, das erste Mal überhaupt zur Kernseife greifen, wäre die Wäsche zu Hause längst geschleudert und bereit für den Trockner.
Und jetzt muss auch noch frisches Wasser zum Nachspülen her. »Gibt's keinen Schlauch?« mault Paul (11) und greift sich einen Blecheimer. Er kann froh sein: Ausnahmsweise braucht das kühle Nass nicht auch noch gepumpt zu werden. Seinem Ururopa wäre auch das nicht erspart geblieben.
Paul muss sich erst einmal etwas ausruhen. »He, nicht rumsitzen. Arbeiten!« ruft »Knecht« Max, als wenn der Bauer es ihm befohlen hätte. Thorsten Hoppe schmunzelt. Gemeinsam mit Kristina Hartmann leitet er diesen Tagesausflug in die Vergangenheit und erzählt, dass Paul als echtem Knecht einst sogar Schläge gedroht hätten. Aufmucken war sogar richterlich verboten.
So rauh geht es im Bauernhof-Museum natürlich nicht zu. Im Gegenteil: Wer tüchtig arbeitet, muss sich auch zünftig stärken. Mit Butterbroten. Mit selbst gestampfter Butter, versteht sich.
Die Holzkuh hat beim Melken (natürlich mit der Hand, klar!) zwar nur Wasser gegeben, aber die »große Magd« Kristina und der »große Knecht« Thorsten waren auch am Vortag schon fleißig und hatten den fettigen Rahm von frischer Kuhmilch abgeschöpft und mit etwas Quark »angesäuert«, wie man sagt. Also: Ran ans Butterfass und stampfen, stampfen, stampfen! Der Schweiß rinnt in Strömen.
Fünf Stunden Knecht oder Magd sein, das ist anstrengend. Und früher war ein Arbeitstag dann noch lange, lange nicht vorbei. . . Aber die Kinder von heute haben sich bei der Arbeit von damals wacker geschlagen. »Emsig, gelehrig, flink und folgsam«: Schöne, alte Worte wie diese standen am Ende in ihren Zeugnissen. Zeugnisse? Klar. Denn gelernt haben die jungen Mägde und Knechte eine Menge. Margit Brand

Artikel vom 19.08.2006