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Ein Namenloser im Rampenlicht

Erik Zabel tritt in der Zielgasse halbherzig an - Schumacher im Bergtrikot

Von Hans Peter Tipp
Bielefeld (WB). »Hilfe, wenn da mal nichts passiert.« Herbert Watterott, die Radsportstimme der ARD, überkam angesichts gerade mal fünf Meter breiten Zielgeraden in Bielefeld schon früh ein ungutes Gefühl. Doch es ging alles gut.

Das war gestern am Ende der ersten Etappe der Deutschland-Tour der Radprofis über 198,2 Kilometer zwischen Düsseldorf und Bielefeld auch fast schon das Wichtigste. Der völlig unbekannte Kasache Assan Bazajew, der Bielefeld auf immer als Ort seines ersten ProTour-Sieges im Gedächtnis speichern wird, verdarb zudem den Organisatoren die erhoffte Pointe des Tages.
Zu gern hätten sie vor -Ênach Polizeiangaben - 5000 Zuschauern in der Bielefelder Innenstadt (3000 weitere säumten die Strecke) einen deutschen Sieger oder zumindest einen deutschen Fahrer im Gelben Trikot präsentiert. Doch Erik Zabels Antritt kam zu spät und sicherheitshalber auch nicht mit vollem Elan. Für den Berliner aus Unna blieb nur der undankbare Bronzerang. Denn auch der in der letzten Linkskurve, die vom Jahnplatz auf die Herforder Straße führte, waghalsig enteilte Italiener Danilo Napolitano war zu weit enteilt. Dennoch war Zabel unter ansonsten namen- und gesichtslosen Aktiven der einzig bekannte Fahrer in den Top Ten des Tages.
Ein dickes Lob gab es für die Ostwestfalen, die ihren »Tag des Radsports« gebührend zelebrierten. »Ich habe es selten erlebt, dass bei solchen Wetterbedingungen so viele Zuschauer auf den letzten Kilometern waren«, sagte Tour-Chef Kai Rapp. Insgesamt waren es in ganz Ostwestfalen fast 20 000 Radsport-Fans, die bei miserablem Wetter ausharrten.
Damit blieb nach der ersten Etappe am zweiten Tag der Deutschland-Tour Wladimir Gusew im Besitz des Leader-Leibchen und wird es heute tragen, wenn in Minden der nächste Tagesabschnitt gestartet wird. Der Russe verteidigte die Trophäe mit exakt jenem Minivorsprung vor Linus Gerdemann (T-Mobile) , den er sich tags zuvor beim Prolog herausgearbeitet hatte.
Erst als die Tour um 15.52 Uhr in St. Vit OWL erreichte, wurde es spannend. Im strömenden Regen bemühte sich das Hauptfeld, die früh ausgerissenen Anton Luengo (Spanien) und Andreas Matzbacher (Österreich) zu stellen. Bis zur Sprintwertung auf der Carl-Bertelsmann-Straße in Gütersloh hielt das Duo durch. Bei Avenwedde war die Flucht aber zu Ende.
Auf den letzten Kilometern häuften sich die Attacken: Ex-Lamonta-Fahrer Stefan Schumacher (Gerolsteiner) wagte bei Peter auf'm Berge die Flucht nach vorn. »Ich bin zum richtigen Zeitpunkt bei der Bergwertung angetreten. Da hat es für die Punkte gereicht. Der Berg war nur sehr kurz, deshalb konnte ich keinen großen Vorsprung herausholen. Aber ich habe es versucht.« Kaum war sein Teamkollege, der später das gepunktete Bergtrikot erhielt, in Dornberg eingeholt, setzte sich Sebastian Lang an die Spitze. Doch auch der Zeitfahrmeister fuhr an Gelb vorbei. Es kam zum Massenspurt, was angesichts der widrigen äußeren Bedingungen, der winkligen Streckenführung und der engen Zielgeraden nicht nur Watterott den Angstschweiß auf die Stirn trieb.
»Im Finale ist es eigentlich für uns sehr gut gelaufen, als wir das Loch zu Sebastian Lang noch schließen konnten. Aber der Schluss-Spurt war chaotisch bei diesen Straßenverhältnissen. Sebastian Siedler vor mir ist fast zu schnell in die letzte Kurve gegangen. Napolitano und Bazajew fuhren da ohne Rücksicht auf Verluste, ich habe lieber etwas rausgenommen. Das war ziemlich gefährlich«, sagte Zabel.

Artikel vom 03.08.2006