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Seriendiebe in
der Eremitage

Mehr als 200 Werke verschwunden

Von Stefan Voß
St. Petersburg (dpa). Vorn drängten sich kunstbegeisterte Touristen und durch den Hinterausgang verschwanden die Exponate: Im weltberühmten russischen Kunstmuseum Eremitage in St. Petersburg hat gestern ein mutmaßlicher Seriendiebstahl im Millionenwert große Aufregung verursacht.

Mehr als 200 Exponate verschwanden über einen längeren Zeitraum aus den unzähligen Lagerräumen. Die Polizei hat vor allem Mitarbeiter des Museums in Verdacht. Auftraggeber sollen private Sammler gewesen sein. In Russland wird befürchtet, dass eine über Jahrzehnte verschobene Generalinventur im größten Kunstmuseum des Landes noch weitere böse Überraschungen bringen könnte.
Das gewaltige Museum am Newa-Ufer mit seinen mehr als 1000 Räumen beklagt den Verlust von Kirchenikonen, Juwelierarbeiten sowie wertvollen Emaille-Kunstwerken aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Der offizielle Wert wurde mit 130 Millionen Rubel angegeben (3,8 Millionen Euro). Der reale Wert der Exponate dürfte nach Schätzung von Experten um ein Vielfaches höher liegen.
Museumsdirektor Michail Piotrowski bezeichnete das Verschwinden der nicht versicherten Kunstgegenstände als schweren Schlag für die Eremitage. »Die Objekte sind im Laufe von mehreren Jahren verschwunden. Vier Mitarbeiter hatten Zugang zu dem Lagerraum«, erläuterte Piotrowski. Als eine museumsinterne Revision im November vergangenen Jahres die durch Schwund dezimierte Abteilung russischer Kunst aufsuchte, erlitt die verantwortliche Kustodin noch am Arbeitsplatz einen Schlaganfall.
Der in der internationalen Museumsszene bekannte Piotrowski versuchte, den größten Imageschaden von seinem Haus mit dem Hinweis abzuwenden, auch anderswo in der Welt sei es um die Museen nicht zum Besten bestellt. Beim Vorfall in der Eremitage sei es noch zu früh, von Diebstahl zu sprechen, sagte er. Immerhin kam es in der Vergangenheit vor, dass verschwunden geglaubte Exponate in anderen Lagerräumen wieder auftauchten.
In einer ersten Erklärung hatte die Eremitage-Leitung die Zustände im eigenen Haus noch spürbar selbstkritischer dargestellt. Von gravierenden Mängeln bei der Sicherheit war die Rede. »Es besteht kein Zweifel, dass Mitarbeiter des Museums beteiligt waren«, hieß es weiter. Angestellte setzten sich über Pflichten hinweg und hätten kein Verantwortungsgefühl.

Artikel vom 02.08.2006