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Seit 47 Jahren im Amt: Erzfeind der USA und Idol der Linken

Kubas Präsident Fidel Castro muss vorübergehend Amtsgeschäfte abgeben

Von Anthony Boadle
und Jost Maurin
Havanna (Reuters). In Kuba gerät eine Ikone ins Wanken: Präsident Fidel Castro hat sich am Montag (Ortszeit) einer komplizierten Darm-Operation unterziehen und die Amtsgeschäfte vorübergehend abgeben müssen. Es ist das erste Mal, seit er vor 47 Jahren in einer Revolution gegen den Diktator Batista die Macht in dem karibischen Inselstaat übernahm.

Seitdem verteidigte er erfolgreich seine Regierung gegen von den USA unterstützte Umsturzversuche. Damit wurde er zum Idol in Lateinamerika, anderen Entwicklungsländern und linken Kreisen weltweit.
Die geplanten Feiern zu seinem 80. Geburtstag am 13. August müssen jetzt wohl verschoben werden. »Ich bin wirklich glücklich, die 80 zu erreichen. Ich habe das nie erwartet, vor allem weil ich einen Nachbarn habe - die größte Macht der Welt -, der täglich versucht, mich umzubringen«, sagte Castro noch Ende Juli. 600 Attentatspläne hätten der US-Geheimdienst CIA und kubanische Exilanten aus Miami gegen ihn geschmiedet.
Schließlich hatte Castro Unternehmen aus den USA und von wohlhabenden Kubanern enteignet und schloss später eine Allianz mit der Sowjetunion. Damit wurde Kuba der westlichste Außenposten des Sozialismus - 145 Kilometer von Florida entfernt. Auch seine ehemalige deutsche Geliebte Marita Lorenz behauptet, sie habe den Revolutionsführer vergiften sollen. 1961 starteten von der CIA ausgebildete und finanzierte Exilkubaner sogar eine regelrechte Invasion in der kubanischen Schweinebucht - und scheiterten kläglich.
Castro, der Mann mit dem langen Bart und der allgegenwärtigen Militäruniform, ist mittlerweile das Staatsoberhaupt, das nach der britischen Königin Elizabeth II. und dem thailändischen Monarchen Buhmibol Andulyadej am längsten im Amt ist. Dass er sich so lange halten konnte, ist auch dem sozialen Fortschritt zu verdanken, den Kuba unter seiner Ägide machte: Die Analphabetenquote sank drastisch, selbst entlegene Dörfer werden kostenlos durch ein nicht nur für Entwicklungsländer vorbildliches Gesundheitssystem versorgt.
Auf der anderen Seite ist die Meinungsfreiheit in Kuba stark eingeschränkt. Zwar ist Kritik in für sozialistische Staaten erstaunlichem Ausmaß möglich, etwa in Kinofilmen wie »Erdbeer und Schokolade«. Doch wer das System oder Castros Macht grundsätzlich in Frage stellt, muss mit Repressalien durch den Staatssicherheitsdienst rechnen.
Zudem sind die Lebensmittel rationiert, viele Häuser verfallen, in großen Teilen Havannas fällt regelmäßig der Strom aus. Der führende Oppositionelle Oswaldo Paya kritisiert, dass viele Kubaner wegen der niedrigen Löhne auf dem Schwarzmarkt ums Überleben kämpfen müssten, während die Funktionäre der Kommunistischen Partei eine privilegierte Kaste seien.
»Die Kubaner wollen nicht mehr so leben«, sagt Paya. Dennoch ist für Castro die größte Gefahr nicht die Opposition, sondern seine eigene Gesundheit. Offensichtlich wurden seine physischen Probleme, als er 2001 während einer Rede ohnmächtig wurde. Im Oktober 2004 fiel er während einer direkt vom Fernsehen übertragenen Ansprache und brach sich ein Knie sowie einen Arm. Seitdem bewegte er sich merklich langsamer und erschien gebrechlich.
Doch auch danach wetterte er in seinen vier Stunden langen, im Stehen gehaltenen Reden gegen das von den USA verhängte Wirtschaftsembargo, »den Imperialismus« und soziale Ungerechtigkeit.

Artikel vom 02.08.2006