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Britta war die Beste im Becken

Schwimm-EM: Weltrekord macht den deutschen Frauen Lust auf mehr

Budapest (dpa). Deutschlands schwimmendes Power-Quartett entlockte Cheftrainer Örjan Madsen zunächst nur ein Wort: »Fantastisch.«

Britta Steffen wollte den Weltrekord-Moment »einfach nur genießen«. Annika Liebs musste sich »schwer zusammen nehmen, damit keine Tränen fließen«. Daniela Götz fühlte sich »einfach nur wohl«. Und Petra Dallmann machte als Gründe für den »Wahnsinn« drei Faktoren aus: »Teamwork, Teamspirit und eine unglaublich schnelle Britta Steffen.«
Unglaublich schnell waren sie in Budapest alle. Und die vorolympische Kampfansage der neuen Europameisterinnen war unüberhörbar: 3:35,22 Minuten, Weltrekord über 4 x 100 m Freistil. »Sensationell«, befand Deutschlands Schwimmer-Präsidentin Christa Thiel das, was die Berlinerin Steffen, die Würzburgerin Liebs, die Erlangerin Götz und die Heidelbergerin Dallmann aus dem Hut zauberten. Olympiasieger Australien war seine Weltbestmarke (3:35,94) wieder los.
»Das ist wirklich fantastisch«, kommentierte der Norweger Madsen den schwimmerischen Erdrutsch von 72/100 Sekunden, mit dem sich das deutsche Super-Quartett vier Jahre und zwei Tage nach jenen 3:36,00 Minuten vom 29. Juli 2002 in Berlin den Weltrekord zurückeroberte. Und eine überragte alle: Britta Steffen war als dritte Schwimmerin mit »fliegend« gemessenen 52,66 Sekunden so schnell wie keine Frau zuvor. »Das ist gewaltig«, sagte Madsen. »Sie musste so lange darauf warten, um zeigen zu können, was sie kann. Ich freue mich total für sie«, meinte Petra Dallmann.
Dabei grenzt es fast an ein Wunder, dass Britta Steffen überhaupt noch schwimmt. Hinwerfen wollte sie die Brocken, das wahrscheinlich größte deutsche Freistil-Talent seit Franziska van Almsick hatte die Schnauze gestrichen voll. Bei Olympia in Sydney durfte die jetzt 22-Jährige nur zum Vorlauf über 4 x 200 m Freistil antreten, und auch in Athen war sie lediglich zweite Wahl. Irgendwie war immer der Druck zu groß, irgendwie folgte einer viel versprechenden Leistung immer wieder der Rückschritt: »Wenn ich schlecht geschwommen bin, war ich auch kein guter Mensch.«
Lange war sie mit sich selbst nicht im Reinen. Jetzt ist sie es: »Der Traum ist noch nicht zu Ende geträumt.« Ein Jahr schwimmerische Totalpause, psychologische Hilfe, der wiedergefundene Glaube an sich selbst, neue innere Ruhe, ein Studium zur Wirtschafts-Ingenieurin mit Fachgebiet Umwelt - plötzlich war Steffen, die erst im August 2005 wieder mit dem Training bei Van-Almsick-Coach Norbert Warnatzsch begann, wieder da.
Die hoch Gelobte hatte ihr Höchsttempo im Wasser gar nicht mitbekommen: »Ich hab's nicht gemerkt.« Sie wollte »einfach nur so schnell schwimmen, wie es geht«. Begreifen konnte sie es zunächst nicht: »Ich kann mich selbst nicht verstehen.« Später ging es dann doch: »Ich bin mein eigenes Rennen geschwommen. Und wir vier Mädels haben einfach aufeinander vertraut.«

Artikel vom 02.08.2006