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»Bei uns wurde immer viel
über die Politik geredet«

Gewerkschafterin Edith Echterdiek im Erzählcafé

Brackwede (ho). »Eigentlich bin ich nichts Besonderes. Viele haben Ähnliches erlebt«, gibt sich Edith Echterdiek im Brackweder Erzählcafé bescheiden. Die gelernte Näherin und überzeugte Gewerkschafterin ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und engagiert sich seit ihrem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1996 bis heute in verschiedenen Gremien. So ist sie unter anderem Mitglied des Bielefelder Seniorenrates und arbeitet bei der Volksbühne verantwortlich mit.
Die Mutter war Kriegerwitwe. »Es war schwierig, über die Runden zu kommen«, erzählt Edith Echterdiek, die noch vier Geschwister hat. In Herford geboren, verbrachte sie den größten Teil der Kindheit in Eickum. »Auf einem Bauernhof haben wir uns als Kinder immer einige Pfennige auf dem Acker dazu verdient.« Und nach der Schulzeit machte sie eine Berufsausbildung als Näherin. »Wie das damals in unserer Gegend üblich war. Eine Lehrstelle zu finden, war ähnlich schwierig wie heute.« In Herford absolvierte sie ihre Ausbildung, wechselte dann nach Bielefeld und kam 1957 zurück nach Herford. »Vom Herrenanzug bis zum Mantel habe ich alles genäht.« In dem Betrieb hatte sie ersten Kontakt zur Gewerkschaft.
Nach Hochzeit und langer Familienpause (sie bekam zwei Kinder) stieg Edith Echterdiek wieder in ihren erlernten Beruf ein, zunächst in Brake. Und da sie aus einem »politischen« Elternhaus kam (»bei uns wurde immer über Politik geredet«) , engagierte sie sich in der Mitarbeitervertretung und der Gewerkschaft Textil und Bekleidung, war bei einem anderen Unternehmen im Betriebsrat. Zudem war sie in verschiedenen Tarifkommissionen, zuletzt auch auf Bundesebene, tätig. Ein wichtiges Anliegen war und ist ihr die leistungsgerechte Entlohnung, aber auch die Arbeitsbedingungen. »Es war schon sehr eintönig, wenn man tausende Male am Tag denselben Handgriff ausführen musste.« Aber auch reichlich Betrübliches musste Edith Echterdiek erfahren. »Immer wieder gingen Firmen Pleite, wurden verkauft oder die Produktion ins Ausland verlagert oder die Akkordzahlen hochgesetzt. Damit hat man uns regelrecht erpresst.«
Genützt hat alles nichts. Die Bielefelder Textilproduktion ging weitestgehend »den Bach runter«. »Näherinnen, die es früher zu Tausenden gab, finden sich heute kaum mehr«, bedauert Edith Echterdiek das Aussterben ihres Berufes im Bielefelder Raum und die Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland. Und da die Seniorin eine enge Verbindung von Gewerkschaft und Kultur sieht, war sie schon früh in der ältesten Bielefelder Theatergemeinschaft, der Volksbühne, tätig, gehörte mehr als 20 Jahre dem Vorstand an.
Für Edith Echterdiek war der Ruhestand kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Sie engagiert sich in der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen und weiteren SPD-Gremien, gehört dem Seniorenkreis der Gewerkschaft (heute IG Metall) an, ist aktives Mitglied der AWO und vertritt Senioreninteressen im Bielefelder Seniorenrat.

Artikel vom 01.08.2006