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Ein Kämpfer für die Eleganz

Yves Saint Laurent wird 70 - Beständigkeit in der wechselhaften Modewelt

Paris (dpa). Die Crème de la Crème der internationalen Modepresse ist versammelt. Es ist Januar 1962, ein schüchterner junger Mann aus Oran in Algerien lugt durch den Spalt einer Stellwand und weiß, dass alle seinetwegen da sind.
Eines von 4000 YSL-Modellen.

Yves Saint Laurent, Hoffnungsträger der Haute Couture, stellt seine erste eigene Kollektion im eigenen Modehaus vor.
Das Publikum ist hingerissen und wird es die nächsten 40 Jahre bleiben. Eigentlich wollte »YSL«, der einst bei Dior begann, Kleider für die Bühne entwerfen, später trugen Topmodels wie Laetitia Casta und Filmstars wie Catherine Deneuve die Hüllen des Mode-Zars. Heute wird der Junge von damals 70 Jahre alt.
Yves Saint Laurent erfand den ersten Damen-Smoking und ließ sich von Frankreichs Presse als »Modeschöpfer des Jahrhunderts« feiern. Er provozierte, machte Mode zu Kunst, bekam den französischen Orden der Ehrenlegion und entwarf mehr als 4000 Modelle. 2002 zog er sich aus der Modewelt zurück.
Bewegt hat »YSL« immer. Sein Credo »Nieder mit dem Ritz, es lebe die Straße« hat die Mode entstaubt und die Modewelt revolutioniert. Er hat die Hosenmode für die Frau neu erfunden, der Pop-Ära durch Minirock und Lederjacke zu Glamour verholfen. Vor allem aber hat er sich dem Modediktat des ständig wechselnden Looks widersetzt und eine Basisgarderobe für die Frau geschaffen, mit Trenchcoats, Matrosenjacken und Hosenanzügen. Ein »Kampf für die Eleganz«, ein Stück Beständigkeit in der sich ständig wandelnden Modewelt.
Der homosexuelle Dandy und Multimillionär sorgte auch in der Parfümwelt für Furore. Nur mit seiner Brille bekleidet warb er 1971 für seinen Herrenduft »homme«, um sechs Jahre später mit »Opium« einen Parfümklassiker zu kreieren.
Die Provokationen passen zu seinem Jet-Set-Leben zwischen seinem 30. und 40. Lebensjahr: Mit Andy Warhol zieht er durch Pariser Edel-Diskos, mit Paul Getty Junior, dessen Frau Talitha, seinem Lieblingsmodel Betty Catroux und seiner Muse Loulou de la Falaise vergnügt er sich in seinem Palast in Marrakesch. Nach und nach aber wird es still um den Meistercouturier - nach den Schauen ergreift er die Flucht, auf Empfängen glänzt er durch Abwesenheit.
Schließlich kehrt er 2002 der Modewelt den Rücken, nach einem Défilée-Finale im Pariser Centre Pompidou. Letztes Modell mit der Seriennummer 77 751 ist ein schwarzes Wolljackett mit aufgestickten goldenen Ähren, das seine langjährige gute Freundin Catherine Deneuve präsentiert. Offiziell zog sich »YSL« aus Altersgründen zurück, inoffiziell sprach man von Spannungen mit Übernahme-Kandidaten. Mit der neuen Designer-Generation habe »YSL« nichts gemein, hieß es. Saint Laurents langjähriger Lebenspartner Pierre Bergé meinte, der Meister habe aufgehört, »weil es die Mode, für die er arbeitete, nicht mehr gibt«.

Artikel vom 01.08.2006