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Viele Immigranten wandern nur in die Sozialsysteme ein und wollen von Integration kaum etwas wissen.

Leitartikel
Großproblem Integration

Der Schatten
der
Einwanderung


Von Jürgen Liminski
Die Parallelen sind überraschend: In Frankreich so wie in Deutschland ächzt das Gesundheitssystem und streiken die Ärzte. Und in beiden Ländern suchen die Regierungen zur Zeit intensiv nach geeigneten Kriterien für die Einwanderung, und zwar im Sinne einer Minderung des Zuzugs von Ausländern. Dabei liegen Schein-Ehen, Polygamie, Sozialhilfemissbrauch und der Verbleib von Kindern besonders im Visier der Politiker.
Während Grüne und Sozialisten in Deutschland nach wie vor ihren Multi-Kulti-Idealen nachhängen und ihre Gesinnungsgenossen in Frankreich ebenfalls so viele Ausländer wie möglich ins Land holen wollen, denken die Innenminister über Beschränkungen nach.
Sie wissen: Viele Immigranten wandern nur in die Sozialsysteme ein und wollen von Integration kaum etwas wissen. Und: Diese Frage ist entscheidend für die nächsten Wahlen und für die Zukunft beider Länder.
Beispiel Deutschland: 25 Prozent der Ausländer sind arbeitslos, bei den Türken sind es mehr als 33 Prozent. Auch die Kinder dieser Gruppen haben im Vergleich mit deutschen Kindern wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt, denn ihre Bildung ist mangelhaft. 13 Prozent der Zuwanderer aus der EU haben keinen Schulabschluss, bei jungen Türken sind es 21 Prozent, bei den deutschen Kindern 7,4 Prozent. Dieses Missverhältnis kann auf Dauer nur zu sozialen Konflikten führen. Also lässt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble prüfen, wer ins Land kommen darf.
Ähnlich in Frankreich. Amtskollege Nicolas Sarkozy lässt schärfer prüfen. Die Kinder, die zwar illegal eingewandert sind, aber schon länger zur Schule gehen, sollen bleiben dürfen, er schätzt die Zahl auf 6000. Die anderen müssen nach Hause. Beiden Ministern ist klar, um welche Einwanderer es geht. Es sind die Integrationsunwilligen, in ihrer Mehrheit aus Nordafrika oder aus der Türkei. Ihre Bemühungen werden von der spanischen Regierung unter Zapatero unterlaufen, der die Tore für Zuwanderer öffnen will.
Dass er sich sozialen Sprengstoff ins Land holt, diese Warnung der bürgerlichen Opposition verdrängt er. Und er kann sogar auf Überlegungen der deutschen Christdemokraten verweisen, wonach die »gezielte Zuwanderung dringend benötigter Fachkräfte« im neuen Grundsatzprogramm festgeschrieben werden soll. Nur: Woher sollen diese Fachkräfte kommen?
Der Schatten des demographischen Defizits in Europa wird länger. Jetzt sind trotz der drängenden Probleme Menschlichkeit und Augenmaß gefragt, und zwar nicht nur mit Blick auf die Einwanderer, sondern auch mit Blick auf die gesundheits- und sozialpolitisch schwieriger werdenden Verhältnisse, sprich mit Blick auf die Integrationsfähigkeit und -willigkeit der Einheimischen. Sonst steht der soziale Friede plötzlich zur Disposition. Das aber kann niemand wollen, weder in Deutschland noch in Frankreich - und auch die Einwanderer nicht.

Artikel vom 01.08.2006