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Nasses Tuch auf Hundebauch

Haus- und Wildtiere im Hitzestress - Watussi-Rind hat »Klimaanlage«

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Wenn die Zunge heraushängt, die Augen geweitet sind und der hechelnde Hund kraftlos am Boden liegt, sollten beim Halter die Alarmglocken läuten. »Sofort ein Handtuch mit kaltem Wasser auf den Bauch legen«, raten die Mitarbeiter der Tierklinik Quernheim in Kirchlengern (Kreis Herford).
Das kühle Eis ist bei den Lemuren im englischen Staffordshire heiß begehrt. Keine Tierart setze sich freiwillig den derzeitigen extremen Temperaturen aus, betonen Zoologen und Tierärzte. Foto: dpa

Haustiere leiden genauso unter der Bullenhitze wie Menschen. Auch sie kann der Hitzschlag treffen. Deshalb sollten ihre Besitzer auf Warnzeichen achten, etwa darauf, ob die Schleimhäute statt rosafarben bläulich angelaufen sind. Apropos laufen: Wer mit seinem »Bello« Gassi geht, dem rät die Tierklinik zu der Devise »Zum nächsten Baum - keine längeren Wege.« Vor allem in Städten sollte darauf verzichtet werden. Wenn der Asphalt so heiß geworden ist, dass er Blasen wirft, läuft der Hund wie auf glühenden Kohlen.
Die Wassermenge ist zu verdoppeln: sechsmal eine Schüssel hinstellen statt nur dreimal. Außerdem kann dem Hund das Leben bei 35 Grad durch eine Fellrasur erleichtert werden. Operationen wie zum Beispiel eine Kastration sollten aufgeschoben werden, empfehlen Tierärzte. Für beliebte Haustiere wie Hamster und Meerschweinchen geben sie als Faustformel aus: Lieber drei Tage im dunklen, kühlen Keller als einen Tag in der Hitze. Kaninchen, die im Käfig an einer Hauswand gehalten werden, müssen regelmäßig mit Wasser übergossen werden. Sonst droht bei Temperaturen von 40 Grad der Hitzschlag.
Hunde und Kaninchen haben es nicht so gut wie die Watussi-Rinder im Safaripark Zoo Stukenbrock. »Die haben eine im Kopf eingebaute Klimaanlage«, berichtet Park-Chef Fritz Wurms. Die großen Hörner enthalten Kapillargefäße, über die überschüssige Wärme nach außen abgegeben wird. Die Rüssel der indischen Elefanten besitzen solche Fähigkeiten nicht, und so hat Wurms für sie zwei jeweils einen halben Meter tiefe Teichsuhlen anlegen lassen, in die jeden Morgen 8000 Liter Wasser gepumpt werden. Über Nacht ergießen sich insgesamt 80 000 Liter Wasser über das trocken gewordene kleine Stück Afrika in der Senne.
Wegen ihres dicken Fells sind die Lamas aus den Anden nicht zu beneiden. Sie suchen den ganzen Tag die Wasserbereiche auf. »Selbst unsere Löwen liegen in jedem Schatten, den sie finden können«, berichtet Wurms. Bei großer Hitze sinkt die Legeleistung von Geflügel: Die Eier werden kleiner. »Die Tiere spreizen die Flügel ab und fangen an zu hecheln«, schildert Tierarzt Dietmar Aldehoff aus Delbrück-Anreppen (Kreis Paderborn). Weil Verdauung die Körpertemperatur erhöhe, rät er dazu, das Futter in der Mittagshitze nach Möglichkeit zu entfernen und abends wieder reinzustellen. Geflügelhalter könnten Vitamin C geben, weil es den Tieren helfe, mit dem Hitzestress besser fertig zu werden.
Wer einen Ventilator übrig hat, sollte mit ihm Richtung Stall gehen. Aldehoff: »Die heiße Luft, die sich im Stall staut, gilt es rauszupusten.« Bei Affenhitze steigt der Wasserbedarf. Brauchen Hühner oder Gänse bei normalen Temperaturen etwa 220 Milliliter Wasser pro Tag, sind es nun 250 bis 300 Milliliter.
Apropos Bullenhitze: Rinder brauchen derzeit wegen der Hitze wie alle anderen Tiere vor allem Wasser und Schatten. Das Wort Bullenhitze ist laut Duden eine sogenannte Augmentativbildung (lateinisch augmentatio: Vermehrung). Das Wort Hitze wird also schlichtweg mit dem Bullen davor sinnverstärkt - um zu beschreiben, wie groß die Hitze ist. Ebenso bei Affenhitze - was dann wohl eine »verrückte« Hitze ist.

Artikel vom 22.07.2006