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Klinsmänner setzen
Weg als »Löwen« fort

Der DFB trifft eine clevere Trainer-Entscheidung

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Frankfurt (WB). Als »dem Jürgen sein Jogi« ist der Bundestrainer-Assistent während der Fußball-Weltmeisterschaft auch bezeichnet worden. Es sollte zum Ausdruck bringen: Perfekter zweiter Mann. Nun rückt Joachim Löw eins auf. Der 46-Jährige beerbt Jürgen Klinsmann.

Das ist zunächst einmal eine ziemlich clevere Entscheidung des Deutschen Fußball-Bundes. Hatte sich der Verband in den vergangenen Jahren bei der regelmäßig anstehenden Suche nach einem Chefcoach auch schon mal einen abgebrochen oder so merkwürdige Gebilde geschaffen wie die Trainnerfindungskommission (»TFK«), so handelte er dieses Mal nahezu wild entschlossen. Löw zu nehmen, ist einerseits logisch, andererseits erspart es den DFB-Herren, sich die üblichen Empfehlungen anhören zu müssen. Matthäus, Hitzfeld, Daum, Sammer, Rehhagel, Klopp, Schaaf - da wäre ja schnell eine Kandidaten-Elf zusammengekommen. Das kann man nun vergessen. Der »Jogi« macht's - warum auch nicht?
»Ich habe ihn nie als meinen Assistenten gesehen«, sagte Klinsmann, »sondern immer als meinen Partner.« So leitete Löw vor allem die Abteilung Taktik sehr selbstständig, er koordinierte auch die Videositzungen der Mannschafsteile und hatte dazu sicher mehr mit der Vorbereitung des Tagesprogramms zu tun als Klinsmann - sowieso eher Katalysator als klassischer Übungsleiter.
Die beiden Freunde ergänzten sich bis aufs Hemd. In deckungsgleichen Klamotten standen sie oft am Spielfeldrand, und so übereinstimmend sind auch ihre Vorstellungen vom Fußball. Klar, dass Klinsmann Löw als »idealen Nachfolger« im Falle der eigenen Demission pries. Das geschah schon Mitte des Turniers und taugte als erstes Indiz für eine danach immer weiter verbreitete Annahme: Klinsmann wirft hin.
Löw konterte dann jedes Mal: »Es ist mein Wunsch, in dieser Konstellation weiter zu machen.« Vielleicht fürchtete er auch nur, dass ihm im Falle des Abgangs seines Chefs DFB-Sportdirektor Matthias Sammer vor die Nase gesetzt würde. Diese Variante galt als die Wahrscheinlichste. Doch die DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder und Theo Zwanziger folgten dem Rat Klinsmanns und beförderten Löw zum Bundestrainer. Dessen fachliche Qualität ist unbestritten. Viele sagen: fehlendes Charisma auch.
Jetzt wird sich bald zeigen, wie wichtig sowas überhaupt ist für einen Fußball-Lehrer, der die deutsche Nationalmannschaft anleiten soll. Vielleicht besitzt Löw auch mehr Ausstrahlung als bisher bekannt wurde, er hat sie nur nicht gebraucht. Dafür gab es Klinsmann.
Der ging gestern, Löw übernahm. Und siehe da, um einen guten Spruch war er nicht verlegen, eine klare Ansage gab es auch gleich: »Wir wollen 2008 Europameister werden.« Ohne Ziel kein Erfolg, daran hält sich auch Klinsmanns Nachfolger. Die »Spielphilosophie«, wie das jetzt seit zwei Jahren so schön heißt, wurde ohnehin gemeinsam entwickelt, und dass die nun beibehalten wird, versteht sich von selbst. Auch deshalb fiel die Wahl auf Löw.
Unter ihm werden die Nationalelf-Kicker nun vielleicht bald zu »Löwen« ernannt. Wenn sie denn ähnlich beherzt zur Tat schreiten wie die »Klinsmänner«. Man muss jetzt abwarten, ob das auf Anhieb fortsetzbar ist. Der Alltag kehrt ein. Der Bundestrainer packt die Koffer ja auch deswegen, weil er nicht abzuschätzen vermag, was passiert, wenn die WM 2006 erst einmal ein bisschen Staub angesetzt hat und in der EM-Qualifikation nur ein dürftiges 2:1 gegen San Marino gelingt. Nicht nur die Klinsmann-Kräfte sind erlahmt, auch die Spieler fürchten sich vor der Tiefe des WM-Lochs.
Und es ist auch nicht so, dass Löw schon jetzt Kampfeslust verspürt. »Ich sehne mich nach ein paar Tagen Urlaub«, hat er gesagt. Danach beginnt zuerst die Assistenz-Suche: Nach dem Jogi seinem Löw sozusagen.

Artikel vom 13.07.2006