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Prügelpolizisten vor Landgericht

Mit neuem Verteidiger eine Wende in der Verteidigungstaktik?

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Die Polizeibeamten Mike S. (33) und Ralf K. (38) werden sich im Oktober vor dem Landgericht Bielefeld erneut wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung verantworten müssen. Dann wird die Berufung der beiden Männer gegen die Verurteilung zu jeweils 15 Monaten Bewährungsstrafen verhandelt.

Nach fast drei Prozessmonaten hatte ein Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsrichterin Astrid Salewski am 8. Februar das Urteil in dem spektakulären Verfahren verkündet: S. und K. waren überführt worden, in der Nacht zum 19. Mai 2005 den 34-jährigen Bielefelder Michael D. an der Herforder Straße grundlos zusammengeprügelt zu haben. Die Beamten hatten die Vorwürfe bis zuletzt auch im Prozess bestritten. Nach Ansicht von Oberstaatsanwalt Horst Rürup und auch des Gerichts waren sie von zahlreichen Zeugenaussagen überführt worden.
Eine besondere Rolle schon in dem Ermittlungsverfahren hatten Kollegen der Täter in Uniform gespielt: Zunächst einmal war am Tatort in Höhe des Stadtbahnaufgangs eine Streifenwagenbesatzung erschienen, die den Vorfall zu Protokoll nahm. Diesen Beamten gegenüber bezeichneten K. und S. den von ihnen malträtierten Passanten als Verursacher der Prügelei. Schlimmer noch: Sogar Polizeikommissar Raimund D. gab als Zeuge an, der vermeintliche Täter sei in der folgenden Nacht noch im Polizeigewahrsam bedroht worden, nichts zu unternehmen, sonst »passiert was«.
Die Wende in dem Fall indes brachten ausgerechnet zwei Polizeibeamte, die in jener Nacht in einem Haus gegenüber des Tatortes eine verdeckte Ermittlung durchführten. Sie bezeichneten bei ihrer Rückkehr ins Polizeipräsidium eindeutig K. und S. als Angreifer, wiederholten ihre belastenden Aussagen dann auch vor dem Amtsgericht. Es habe im Verlauf der Untersuchung »keine Anzeichen für Vertuschung« gegeben, lobte denn auch Oberstaatsanwalt Horst Rürup in seinem Plädoyer. Die Anfeindungen der beiden Anklagten, die in ihrem »letzten Wort« besonders die Staatsanwaltschaft als »nicht objektiv« und die Medien für ihre Misere verantwortlich gemacht hatten, konterte Rürup mitleidlos: »Die Ermittlungen sind von der Polizei geführt worden. Und Polizeibeamte haben die Aufgabe, die Bürger zu schützen; sie sollen sie nicht nachts zusammenschlagen.«
Konsequenz des Gerichts: 15 Monate Bewährungsstrafe für jeden der Angeklagten. Sollte diese Bestrafung auch vor dem Landgericht Bestand haben, so bedeutete dies das Aus im Polizeidienst. Strafen über ein Jahr Dauer ziehen diese disziplinarische Konsequenz nach sich. - Ralf K. hat offensichtlich seine Lehren aus der erfolglosen Verteidigungstaktik vor dem Amtsgericht gezogen: Er wird im Oktober von dem Rechtsanwalt Dr. Holger Rostek verteidigt, der eine »Abänderung des erstinstanzlichen Urteils« anstreben will.

Artikel vom 12.07.2006