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Bielefelder in russischer Haft

St. Petersburger Gericht verurteilt zwei Studenten der Fachhochschule

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Zwei Fotografiestudenten der Fachhochschule Bielefeld sind in Russland festgenommen und zu zehn Tagen Haft verurteilt worden - wegen angeblichen öffentlichen Urinierens. Sie bestreiten den Vorwurf und sehen ihre Verhaftung im Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsgipfel am Wochenende in St. Petersburg.

Eike Korfhagen (30) studiert im sechsten Semester Fotografie, sein jüngerer Kommilitone Henning Wallerius ist seit drei Semestern an der FH Bielefeld eingeschrieben. Im Rahmen einer Studienarbeit hatten die beiden Fotografen Demonstranten begleitet, die am 2. Juni mit Fahrrädern in Berlin gestartet waren und über Polen, Litauen, Lettland und Estland nach St. Petersburg geradelt waren. Dort findet von Samstag bis Montag der G 8-Gipfel statt.
Für das Bielefelder Hochschulradio »Hertz 87,9« hatten die beiden Studenten in den vergangenen Wochen immer wieder telefonisch von der Radtour berichtet. »Die beiden sind Beobachter und nicht Anti-G 8-Aktivisten«, erklärte gestern »Hertz 87,9«-Chefredakteurin Kathrin Sielker.
Die Bielefelder waren nach eigenen Angaben am Montagmorgen gegen 2 Uhr vor ihrer Unterkunft von russischen Polizisten nach ihren Papieren gefragt und mitgenommen worden, gestern wurden sie zu zehn Tagen Haft verurteilt. Im Prozess hatten drei Polizisten ausgesagt, die Deutschen beim öffentlichen Urinieren überrascht zu haben. Minuten bevor die Studenten gestern Nachmittag ins Gefängnis gebracht wurden, erreichte das WESTFALEN-BLATT Eike Korfhage auf dessen Handy.
»Die Angaben der Polizisten waren teilweise widersprüchlich, aber das hat die Richterin nicht interessiert. Wir haben hier einen Schweizer getroffen, der mit der gleichen Begründung verurteilt worden ist.« Die Studenten nehmen an, dass Russland auf diese Weise mutmaßliche G 8-Gegner aus dem Verkehr ziehen will. »Ich habe schon ein mulmiges Gefühl, weil ich nicht weiß, was mich im Gefängnis erwartet«, sagte Eike Korfhagen noch, bevor er das Gespräch beenden musste.
Michael Ebel, Sprecher im Auswärtigen Amt, erklärte, dass sich eine Mitarbeiterin der Botschaft bereits um die beiden Häftlinge kümmere. »Dazu gehört auch, sie im Gefängnis mit Essen zu versorgen.« Denn die Haftbedingungen in Russland sind weit von denen in Deutschland entfernt.
»Die EU und Amnesty International mahnen immer wieder, die miserablen Verhältniss zu verbessern«, sagte Rechtsanwalt Detlev Stoffels aus Paderborn, Experte für internationales Strafrecht. Elmar Brok aus Bielefeld, CDU-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, sagte, der einzelne Mensch zähle im russischen Rechtssystem nicht sehr viel. »Menschen einzusperren, um mögliche Demonstrationen zu verhindern - das hat mit Rechtsstaatlichkeit nicht viel zu tun.«
FH-Sprecher Frank-Rüdiger Bürgel versicherte, die Hochschule werde alles versuchen, damit die Studenten bald freigelassen würden. Auch Elmar Brok kündigte an, seine Verbindungen zu nutzen.

Artikel vom 12.07.2006