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Schnitt mit schmerzlichen Folgen

Geburtsvorbereitung: Mit gezielter Vorbereitung kann der Damm geschützt werden

Bielefeld (WB/lak). Bei Schwangeren, in Geburtsvorbereitungskursen und unter Geburtshelfern sorgt das Thema »Dammschnit« immer wieder für heftige und widersprüchliche Diskussionen. In vielen Kliniken auch heute noch recht großzügig verordnet, ist der Dammschnitt ein geburts-chirurgischer Eingriff, vor dem viele Schwangere verständlicherweise Angst haben. Dabei ist es weniger die Angst vor dem eigentlichen Schnittschmerz als vielmehr die Furcht vor den Schmerzen oder gar Komplikationen während der Wundheilungsphase und sogar danach.

Der Dammschnitt ist eine den Scheideneingang (Damm) erweiternde gynäkologisch-geburtshilfliche Operationsmethode. Dabei wird der Damm während der Austreibungsphase - wenn der Kopf des Babys langsam aus der Scheide hervortritt - mit einer speziellen Operationsschere eingeschnitten und die Geburtsöffnung künstlich geweitet. Der Schnitt muss nach der Geburt chirurgisch versorgt werden.
Es gibt drei Richtungen, in die der Damm zwischen dem hinteren Ende der Vagina und dem Anus durchschnitten werden kann. Die gebräuchlichste Schnittführung ist die mediane Episiotomie in der Mittellinie. Sie hat den Vorteil, dass sie im Normalfall noch am wenigsten Beschwerden im Wochenbett bereitet. Der Nachteil aber ist, dass das Dammgewebe trotz des Entlastungsschnittes in Richtung After weiterreißen kann.
Die anschließende chirurgische Versorgung dieser nicht seltenen Komplikation ist aufwendig und erfordert chirurgisches Fingerspitzengefühl.
Die mediolaterale Episiotomie, der schräge Schnitt von der Scheidenmitte nach links oder rechts, ist die Schnittführung, die den meisten Raumgewinn bringt. Sie wird gewählt bei sehr engem Geburtskanal oder einem sehr großen Kind, bei Zangen- oder Saugglockenentbindung. Der schräge Schnitt macht deutlich mehr Beschwerden im Wochenbett als der in der Mittellinie.
Die laterale Episiotomie, bei der der Schnitt etwa zwei Zentimeter seitlich der Mittellinie (links oder rechts) erfolgt, hat eine sehr schlechte Heilungstendenz. Aus diesem Grund gilt diese Schnittführung heute als veraltet und sollte nicht mehr zur Anwendung kommen.
Zahllos sind Berichte von Frauen, die nach einem Dammschnitt klagen: über schlecht und nur zögerlich verheilende Dammnähte, wochenlange Schmerzen beim Wasserlassen und bei der Stuhlentleerung, über monatelange Sitz- und Gehbeschwerden, Wetterfühligkeit, Migräne und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr bis hin zur Unfähigkeit, Geschlechtsverkehr auszuüben (»katholische Naht«).
Sicher ist das individuelle Schmerzempfinden unterschiedlich stark ausgeprägt, und es müssen diese Komplikationen auch nicht immer auftreten. Wenn es allerdings dazu kommt, bedeuten sie nicht nur für die Frau einen erheblichen Verlust an Lebensqualität, sondern sie stellen auch einen gewaltigen Stressfaktor für die Mutter-Kind-Beziehung dar.
Ob der Damm aber während der Geburt reißt oder geschnitten werden muss, hängt vor allem davon ab, wie gut die Bedingungen für eine natürliche und entspannte Geburt sind.
Hebammen verfügen schon lange über bewährte Methoden zur Geburts- und Dammvorbereitung. »Massagetechniken mit Öl machen den Damm auf natürliche Weise geschmeidig, und die Frauen schulen ihr Gespür für den Körper«, beschreibt Hebamme Meike Görlich vom Geburtshaus in Bielefeld die Maßnahmen, zu denen auch gezielte Akupuntur gehören kann. Ist das Gewebe weich, dehnt es sich leichter und bleibt unverletzt bei der Geburt des Kindes.
Um den Muttermund weich zu halten sollte schon einige Wochen vor der Geburt Himbeerblättertee getrunken werden. »Auch Lindenblütendampfbäder oder Heublumendampfsitzbäder ab etwa sechs Wochen vor der Geburt können helfen, einen Schnitt oder Riss zu verhindern«, sagt Meike Görlich. In Geburtsvorbereitungskursen leiten Hebammen nicht nur dazu an, die richtigen Muskeln oder Atemtechniken zu üben, sondern gehen auch auf die seelischen Bedürfnisse der Schwangeren ein. Studien aus der Schweiz haben gezeigt, dass vor allem durch diese Formen der Geburtsvorbereitung die Dammschnitt- und Dammrissrate wirkungsvoll gesenkt werden kann.
Neben der sehr bewährten Methode der Dammmassage gibt es seit einiger Zeit ein medizinisches Hilfsmittel, das einen Dammriss oder Dammschnitt vermeiden helfen soll. Es ist ein Ballon aus Gummi, der mit einer kleinen Handpumpe auf die Größe eines Kinderköpfchens aufgeblasen werden kann. Zwei Wochen vor der Geburt soll die Schwangere damit anfangen, den Ballon in die Scheide einzuführen und vorsichtig aufzupumpen. Der Damm wird damit langsam gedehnt. Die Geburt soll somit simuliert werden und die Muskeln im Beckenbereich gedehnt werden.
Immerhin bei 40 bis 60 Prozent der vaginalen Krankenhausgeburten nehmen Ärzte einen Dammschnitt vor, so der Bund Deutscher Hebammen. Das häufigste Argument: So werde einem schwer zu beherrschenden Dammriss vorgebeugt, außerdem ginge die Geburt schneller voran.
Für viele Ärzte ist er nichts als ein Routineeingriff - ungefährlich, unkompliziert, unproblematisch. Doch das gilt leider nicht für die betroffenen Frauen.

Artikel vom 14.07.2006