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Verheerende Anschlagsserie
tötet 147 Menschen in Bombay

Sieben Sprengsätze gingen in Zügen hoch - Tat kaschmirischer Rebellen?

Bombay (dpa). Bei einer verheerenden Anschlagserie im Nahverkehr in der westindischen Finanzmetropole Bombay sind mindestens 147 Menschen getötet worden.
Ein Bild, das an die Anschläge auf die Vorortzüge in Madrid erinnert: Ein von der Wucht der Detonation aufgerissener Waggon. Nach den Anschlägen wurde der Zugverkehr in der Stadt eingestellt.
Anschlagsziel: Die Wirtschaftsmetropole Bombay an der Westküste Indiens.

Nach offiziellen Angaben wurden 439 Menschen verletzt, als gestern im abendlichen Berufsverkehr sieben Bomben in voll besetzten Vorortzügen und auf Bahnhöfen explodierten. Ein achter Sprengsatz wurde von Sicherheitskräften entschärft. Nach ersten Einschätzungen des Berliner Außenministeriums sind keine Deutschen unter den Opfern. Es ist die schwerste Anschlagserie in der 14-Millionen-Metropole seit 1993. Die Bomben explodierten binnen 30 Minuten.
Über sechs Millionen Pendler fahren täglich mit den Vorortzügen Bombays. Zunächst bekannte sich niemand zu den Attentaten. Das indische Innenministerium ging wegen der aufeinander abgestimmten Explosionen von einem terroristischen Hintergrund aus. Indische Medien berichteten, die von Pakistan aus operierende muslimische Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba habe jede Verantwortung zurückgewiesen. Sicherheitsexperten hielten das Dementi nicht für glaubwürdig. Lashkar-e-Toiba verübt immer wieder schwere Anschläge in Indien.
Innenminister Shivraj Patil sagte nach einem Krisentreffen mit Premierminister Manmohan Singh, die Anschläge in Bombay und zuvor in Kaschmir seien »schockierend und feige«. Bei mehreren Attentaten mutmaßlicher muslimischer Extremisten auf Urlauber im indischen Teil Kaschmirs waren am selben Tag mindestens sieben indische Touristen getötet und 34 Zivilisten verletzt worden. Patil sagte, möglicherweise gebe es einen Zusammenhang.
Indische Kommentatoren zogen Parallelen zwischen den Explosionen in Bombay zu denen in der Londoner U-Bahn am 7. Juli vergangenen Jahres. Bombays Polizeichef A. N. Roy rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. Heftige Monsunregenfälle erschwerten die Rettungsarbeiten, die von Anwohnern an der Bahnlinie unterstützt wurden. In Bombay, in der indischen Hauptstadt Neu Delhi und im restlichen Land wurden die Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft versetzt. In Bombay wurden paramilitärische Einheiten stationiert.
Die Wucht der Explosionen in Bombay zerfetzte die Wände der Waggons. Blutende Verletzte riefen verzweifelt um Hilfe. Anwohner der betroffenen Bahnlinie nach Westen halfen dabei, Verletzte und Leichen zu bergen. »Es war ein furchtbarer Anblick«, sagte ein Augenzeuge. »Mägen waren offen und Körperteile lagen herum.« Das Mobilfunknetz in Bombay brach zeitweise zusammen. Der Ausfall der Bahnlinie im Berufsverkehr führte zu Chaos in der Stadt.
Die Regierung des früheren Erzfeindes Pakistan verurteilte die Bombenserie in Bombay. Indien wirft Pakistan immer wieder vor, trotz laufender Friedensverhandlungen muslimische Extremisten zu unterstützen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich bestürzt über die Bombenanschläge. Der britische Premierminister Tony Blair sprach von einem »brutalen, beschämenden Akt«. Auch die USA verurteilten die Tat. In Bombay ist auch eine mächtige kriminelle Untergrundszene aktiv.
Bei einer Bombenserie im August 2003 waren in Bombay mehr als 50 Menschen getötet und 35 verletzt worden. Die bisher schlimmsten Bombenanschläge erlebte Bombay 1993. Im März des Jahres wurden bei einer Serie Explosionen mehr als 270 Menschen getötet und über 1000 verletzt. Im Oktober vergangenen Jahres waren bei einer Anschlagserie mutmaßlicher muslimischer Extremisten in der Hauptstadt Neu Delhi mehr als 60 Menschen getötet worden.

Artikel vom 12.07.2006