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Hummel-Figuren am Abgrund

Hersteller Goebel stellt Insolvenzantrag - Geschäft läuft aber weiter

Rödental (dpa/ef). Die Figuren der katholischen Ordensschwester Maria Innocentia Hummel werden in Amerika genauso mit Deutschland in Verbindung gebracht wie Bier, Schloss Neuschwanstein oder das Oktoberfest. Der Hersteller der weltbekannten Hummel- Figuren, die Firma Goebel, steht nun vor der Insolvenz.
Schwester Maria Innocentia Hummel: Bekannt sind ihre Kinderbilder und die nach ihren Entwürfen gefertigten Hummel-Figuren.

Grund sei drohende Zahlungsunfähigkeit, teilte das Unternehmen aus dem oberfränkischen Rödental bei Coburg gestern mit. Goebel beschäftigt 550 Mitarbeiter. Ganz ohne Entlassungen werde es vielleicht nicht abgehen, sagte Unternehmenssprecher Matthias Dachwald. Freunde der Hummel-Figuren beruhigt er aber: »Der Geschäftsbetrieb von Goebel wird uneingeschränkt weitergeführt.« Das Unternehmen habe sich zu diesem Schritt entschlossen, weil eine Sanierung unumgänglich war.
»Der Sanierungsplan ist ein Befreiungsschlag. Nur mit diesem radikalen Schritt wird Goebel wieder zügig an frühere Erfolge anknüpfen können«, sagte Geschäftsführer Claus-Peter Wahner. So sei geplant, das Marketing zu verstärken und das Engagement in Asien und Amerika auszubauen. Außerdem müssten die Produktion gestrafft und Lagerkapazitäten abgebaut werden.
Die in der Nähe von Coburg ansässige Firma Goebel zählt in der Branche nach eigenen Angaben weltweit zu den Top Fünf. In Deutschland sei das Unternehmen im figürlichen Segment Marktführer.
Die 1871 gegründete Firma Goebel kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Zunächst fertigte der Betrieb Murmeln (»Märbel«), Schiefertafeln und Griffel und von 1900 an auch Tagesgeschirr. 1935 entdeckten Franz Goebel und Eugen Stocke die Kinderzeichnung der niederbayerischen Franziskanerschwester Maria Innocentia Hummel. Noch im selben Jahr wurden die ersten Hummel-Figuren auf der Leipziger Messe vorgestellt und zu einem jahrzehntelangen Verkaufserfolg. Noch 1988 beschäftigte das Unternehmen 1450 Mitarbeiter.
Vor allem in den Vereinigten Staaten fanden die Hummel-Figuren zahlreiche Anhänger. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs schickten Soldaten die liebevoll mit Hand bemalten Figuren in ihre Heimat. Doch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war die amerikanische Kundschaft immer weniger bereit, Hummel-Figuren aus Deutschland zu kaufen. Dieser Trend ist laut Unternehmenssprecher Dachwald aber mittlerweile gestoppt. Im Gegenteil: in diesem Jahr steigen die Umsätze in den USA wieder.
Aber auch in Deutschland solle das Marketing verbessert werden. In einigen Kaufhaus-Filialen habe Goebel die Verkaufsfläche mitgestaltet und es seien deutlich höhere Umsätze erzielt worden. Für die nächsten drei Monate zahlt die Agentur für Arbeit zunächst die Löhne und Gehälter für die Mitarbeiter. Danach soll das Unternehmen aus eigener Kraft weiter bestehen können. Die aufwendige Produktion der Hummel-Figuren solle auf keinen Fall ins Ausland verlagert werden. Dachwald: »Die werden bei uns in Rödental angemalt und nirgendwo sonst.«

Artikel vom 07.07.2006