05.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kassen: Reform noch teurer

Beitragserhöhung von 0,5 Prozent könnte nicht ausreichen

Berlin (dpa). Der Gesundheitskompromiss zwischen Union und SPD droht für die 50 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung teurer zu werden als angekündigt.AOK-Chef Hans Jürgen Ahrens: »Hartz IV neu«

Sowohl die Kassen als auch die Grünen warnten davor, der Beitragsaufschlag von 0,5 Prozentpunkten im kommenden Jahr werde nicht ausreichen, die neue Finanzlücke zu schließen. Die Regierung selbst habe den absehbaren Geldmangel durch Mehrwertsteuererhöhung und Streichung des Tabaksteuerzuschusses mit verursacht, kritisierte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. »Auch die jetzt von der Union durchgesetzten Kopfpauschalen werden bei den Kassen, die in größerer Zahl kränkere Menschen versichern, schnell steigen«.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verteidigte die Beitragssatzerhöhung. Man brauche das Geld, »denn wir wollen, dass die Kassen schuldenfrei in ein neues System starten können«
Die neue Fondsbehörde sei »überflüssig und teurer«, sagt AOK-Deutschland-Chef Hans Jürgen Ahrens. Die AOK habe leider vergeblich Vorschläge gemacht, »wie man vorhandene Strukturen für den Fonds nutzen kann, ohne dass viele tausend neue Jobs in neuen Behörden geschaffen und viele tausend Arbeitsplätze bei den Kassen mit hohen Kosten sozialverträglich abgebaut werden müssen«. Ahrens: »Wir brauchen wirklich keine Kreuzung aus Toll Collect und Hartz IV.«
Kritik wurde auch in der Union laut. Der CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs hält den Anstieg der Krankenkassenbeiträge nur für tragbar, wenn gleichzeitig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung stärker sinken als die geplanten zwei Prozentpunkte. Die CSU-Minister im Bundeskabinett haben nach Informationen des »Münchner Merkur« intern massive Kritik geübt. In der CSU-Präsidiumssitzung am Montag in München hätten Agrarminister Horst Seehofer sowie Wirtschaftsminister Michael Glos die Einigung als unzureichend zurückgewiesen. Seehofer sagte nach Angaben von Teilnehmern, die Reform müsse »in ein, zwei Jahren, jedenfalls in dieser Legislaturperiode noch einmal neu verhandelt werden«. Auch aus Sicht der gesetzlichen Kassen wird die Reform zu wachsenden Finanzproblemen führen. Es sei zweifelhaft, ob die geplanten Beitragserhöhungen ausreichten, heißt es in einer Erklärung der Spitzenverbände. Es seien weitere Belastungen für die Versicherten zu befürchten.
Die Beschlüsse reißen auch ein neues Loch in die Rentenkasse. Die Erhöhung der Kassenbeiträge um 0,5 Prozentpunkte belaste die Rentenversicherung mit 500 Millionen Euro im Jahr, ergaben Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung. Themen der Zeit

Artikel vom 05.07.2006