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Italien im Fußballfieber

Spiele gegen Deutschland wühlen viele Emotionen auf

Rom (dpa). Nur der Heilige Vater steht über den Dingen: »Der Papst ist immer unparteiisch, und deshalb wird er am Dienstag ein ganz großes Herz haben, das sowohl für Deutschland als auch für Italien schlägt«, hatte Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein vorab erklärt.

In den Niederungen der profanen Welt sieht die Sache freilich anders aus: Formell geht es zwar nur um das Halbfinale einer Fußball-WM, doch das Match wühlt in Italien Emotionen auf, wie das ansonsten nur bei ganz wenigen europäischen Völkern der Fall ist.
Montag morgen, der Tag vor dem »Tag X«: Ministerpräsident Romano Prodi nimmt sich der Sache an. »Hochverehrte Kanzlerin, liebe Angela«, beginnt er seinen Offenen Brief an die deutsche Bundeskanzlerin, in dem er sein Kommen in Dortmund ankündigt. Der Brief wird auf der Titelseite der »Gazzetta dello Sport« abgedruckt. »Deutschland - Italien ist der große, ewige Wettkampf«, heißt es dort. Es geht um mehr als nur um Fußball, auch das weiß Prodi: »Für uns ist Deutschland viel mehr als nur eine gegnerische Mannschaft.« Dann kommt der Staatsmann durch: »Für uns ist es das große Land, an dem wir uns messen.«
Jürgen Klinsmann startet unterdessen eine Charme-Offensive in Italien. Ziel: alte Vorurteile abbauen. »Ich muss einfach lachen, wenn ich immer noch vom italienischen Catenaccio reden höre und von den Ýdeutschen PanzernÜ. Das ist doch alles altes Gerede«, sagte der Bundestrainer. Aber auch Klinsmann, der Ex-Italien-Legionär bei Inter Mailand (1989 bis 1992), weiß, dass es nicht nur um Fußball geht: »Es stimmt nicht, dass wir euch nicht leiden können.« Und dann redet er davon, dass die Deutschen mittlerweile sogar ein bisschen italienischer geworden sind.
Deutschland und Italien - schon immer waren es tiefe Gefühle, die die beiden Länder verbanden. Für die Deutschen ist es das »Land, wo die Zitronen blühn«, die Verlockung des Südens, der Zauber lauer Sommernächte. »Wir sind wie eine Versuchung für sie«, meinte ein Kommentator. Für die Italiener hingegen ist Germania der große Rivale, der strenge Wirtschaftsriese und auch das Land, aus dem nicht immer Gutes kam.
Doch wohl nirgends sonst spielt der Fußball in den Beziehungen eine auch nur annähernd so wichtige Rolle wie zwischen Italien und Deutschland. Da ist die »historische« Partie, an die in diesen Tagen ganz Italien immer wieder zurückdenkt: das legendäre WM-Halbfinale 1970 in Mexiko, das Italien in der Verlängerung mit 4:3 gewann. Jeder zwischen Mailand und Palermo, der heute um die 50 Jahre und älter ist, kennt die Partie, kann sich noch an Namen der Akteure und einzelne Spielzüge erinnern.

Artikel vom 05.07.2006