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Grosso sorgt für großes Entsetzen

Aus im Halbfinale: Deutschland verliert in den Schlusssekunden der Verlängerung

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Dortmund (WB). 90 Sekunden trennten die deutsche Fußballnationalmannschaft vom Elfmeterschießen, dann schlug Italiens Fabio Grosso zu. Der Verteidiger traf zum verdienten 1:0 für die Squadra Azzurra, und Alessandro Del Piero ließ kurz vor dem Ende der Verlängerung vor 65 000 entsetzten Fans in Dortmund das 2:0 folgen.

Deutschland ist ausgeschieden, Italien steht im Finale und trifft dort am Sonntag (20 Uhr) auf den Sieger der heutigen Partie zwischen Frankreich und Portugal.
Vor dem Halbfinale beschäftigte Jürgen Klinsmann der Fall Frings. Sebastian Kehl oder Tim Borowski? So lautete die Frage. Kehl und Borowski. So lautete die etwas überraschende Antwort des Bundestrainers, der neben dem nachträglich gesperrten Bremer auch Bastian Schweinsteiger draußen ließ. Schweinis Rolle im linken Mittelfeld nahm Borowski ein. Aber auch der zuletzt überragende Frings blieb nicht tatenlos: Klinsmann hatte ihn auserkoren, die Seinen kurz vor dem Anpfiff in der Kabine auf diese so bedeutende Partie einzuschwören.
Ein Klassiker, der nach einer Viertelstunde erstmals für Aufregung sorgte. Als sich Michael Ballack noch über ein elfmeterreifes Handspiel von Andrea Pirlo beschwerte, erspielten sich die Italiener im Gegenzug die erste Chance. Doch Torwart Jens Lehmann behielt im Eins-gegen-Eins-Duell mit Simone Perrotta nach einem glänzenden Pass von Francesco Totti die Oberhand. Ein Angriff mit Aussagekraft, denn auch in der Folgezeit waren es die Gäste, die die Begegnung dominierten und wesentlich offensiver agierten als erwartet. Die Viererkette um Kapitän Fabio Cannavaro untermauerte ihren Weltklasseruf, Mittelfeld-Ass Andrea Pirlo initiierte immer wieder vielversprechende Offensivaktionen - so musste nach Jens Lehmann auch Christoph Metzelder in höchster Not (31./gegen Luca Toni) klären.
Keine Frage, mit dieser Squadra Azzurra hatte die DFB-Auswahl die mit Abstand schwierigste Aufgabe in diesem Turnier zu lösen. So stark war selbst Argentinien nicht. Deutschland verlegte sich daher nicht ganz freiwillig aufs Kontern - das aber mit Nachdruck. Miroslav Klose und Lukas Podolski waren an einer sehenswerten Kombination beteiligt, die dem Routinier Bernd Schneider freie Bahn in Richtung Tor bescherte. Aber der Leverkusener schloss diesen Angriff mit einem Schuss über die Latte ab (34.) und vergab damit die einzige deutsche Möglichkeit und die größte Chance der gesamten ersten Halbzeit.
Der zweite Durchgang war bereits 18 Zeigerumdrehungen alt, ehe es ein weiteres Mal gefährlich wurde - wieder vor dem italienischen Tor. Lukas Podolski zog aus der Drehung ab, scheiterte indes an Torwart Gianluigi Buffon. Den Nachschuss beförderte Arne Friedrich gleich mehrere Meter über das gegnerische Gehäuse. Jetzt dominierte Deutschland und hinterließ den physisch besseren Eindruck. Grund genug für Klinsmann, das Risiko leicht zu erhöhen, Tim Borowski durch Bastian Schweinsteiger (73.) und zehn Minuten später Bernd Schneider durch David Odonkor zu ersetzen. Den nächsten Akzent setzte aber die Elf von Trainer Marcello Lippi. Wieder musste Jens Lehmann alles riskieren, um Simone Perrotta am Torschuss zu hindern (85.). Das gelang, darüber hinaus aber nicht viel mehr. Deutschlands erste Nullnummer nach 90 Minuten wurde mit der zweiten Verlängerung in von fünf Tagen »belohnt«.
Und mit dieser 91. Minute schien ein neues Spiel begonnen zu haben. Schon innerhalb der ersten 120 Sekunden traf Italien gleich zweimal Aluminium. Erst spielte Alberto Gilardino Innenverteidiger Metzelder sowie Kapitän Ballack aus und ließ sich allein vom Pfosten stoppen. Dann bugsierte Gianluca Zambrotta das Spielgerät aus 16 Metern an die Latte. Was für ein Halbfinale. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte mussten auch die Gäste kräftig zittern. Podolski kam freistehend zum Kopfball, setzte die Odonkor-Flanke indes am Tor vorbei. Im Gegensatz zu Fabio Grosso, der diesen Krimi 90 Sekunden vor dem Ende der Verlängerung zugunsten der Italiener entschied. Alessandro Del Piero ließ in der Schlussekunde die letzten Optimisten unter den deutschen Fans verstummen.

Artikel vom 05.07.2006