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Bloß nicht Weltmeister werden

Börsianer erhoffen deutsche Niederlage, denn dann steigen die Aktien


Frankfurt/Main (dpa). Fußball-Fans und Börsianer fiebern dem Ende der Weltmeisterschaft entgegen - aus unterschiedlichen Gründen. Schafft die deutsche Nationalmannschaft den WM-Titel, fragen sich die Anhänger der deutschen Mannschaft. Gehen die Aktienkurse dann wieder nach oben, rätseln die Analysten. Längst werden Zusammenhänge zwischen Fußball-Fieber und Börsen-Hausse gesucht.
»Das Wichtigste für die Börse ist, dass Deutschland nicht ins Finale kommt«, sagt Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg. Der Börsen-Profi hat zum Beleg in die Vergangenheit der letzten 40 Jahre geschaut. »Immer wenn Deutschland nicht ins Finale kam, gingen die deutschen Aktien hoch.« So war es 1970, 1978, 1994 und 1998 - zuletzt sogar um 3,9 Prozent. Und beim Final-Einzug Deutschlands gingen die Kurse fast immer auf Talfahrt: 2002 zum Beispiel um satte 8,0 Prozent.
Auch die Landesbank Rheinland-Pfalz hat die Entwicklung der Aktien zu WM-Zeiten untersucht - und ebenfalls keine Aufbruch-Stimmung bei einem Sieg der Nationalelf gefunden. »Das war enttäuschend«, sagt Aktienstratege Michael Köhler. Seine Erklärung: Die Entwicklung der deutschen Börsen werde ohnehin mehr von amerikanischen Vorgaben beeinflusst Ñ der amerikanische Index Dow schlägt jede WM. »Und die US-Amerikaner sind keine großen Fußball-Anhänger«, sagt Köhler.
Andererseits könnte die Euphorie über einen Sieg der Klinsmann-Truppe die Stimmung im Land beeinflussen und damit auch der Konjunktur einen Schub geben. »Mittel- bis langfristig könnte das Deutschland aus seiner Lethargie reißen«, sagt Köhler. Wenn schon zusätzliche Hotel-Übernachtungen oder ein höherer Absatz an neuen Flachbild-Fernsehern allein die Konjunktur nicht beflügeln, könnte zumindest die Stimmung steigen. »Beim Geschäftsklimaindex kann man schon einen Zusammenhang sehen«, meint Köhler. »Aber an den Börsen ist das noch nicht spürbar.«
Mögliche Zusammenhänge stehen ohnehin auf wackeligen Füßen. Auch Schallenberger misst seinen Berechnungen nur sehr begrenzt Aussagekraft zu. »Es riecht sehr stark nach Zufall«, räumt er ein. »Eine richtige Erklärung gibt es nicht.« Eine Ursache für die beobachteten Kursbewegungen könnten weniger die Fußball-Ergebnisse als die Zeiten der WM sein. Die Sommermonate, in denen die Spiele stattfinden, gelten an der Börse als schwach, da viele Leute im Urlaub sind. Und da Deutschland meist ins Finale kam, ergibt sich der Zusammenhang.
Eines gilt allerdings an den Börsen als sicher: Wenn Deutschland spielt, geht das Handelsvolumen in den Keller. So sei am Tag des Spiels Deutschland gegen Ecuador die Zahl der gehandelten Aktien zum Beispiel noch geringer gewesen, als am Feiertag davor, sagt Schallenberger. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wenn die Partie läuft, wenden auch Händler und Investoren ihren Blick von den Börsen-Terminals ab. Köhler: »Mit einem Auge wird immer auf das Ergebnis geschielt.«

Artikel vom 04.07.2006