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Evangelischen Standpunkt vertreten


»Unsere Kirche« wird 60 Jahre alt - Die Grundlagen bereits 1907 gelegt

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). »Unsere Kirche« aus Bielefeld, die zweitgrößte regionale evangelische Wochenzeitung in Deutschland, wird morgen 60 Jahre alt.
1946 als »Neue Kirche« gestartet, 1951 in »Unsere Kirche« umbenannt: Heute ist »UK« zweitgrößte evangelische Kirchenzeitung in Deutschland.

Mit einer Auflage von 63 000 Exemplaren und 13 Regionalteilen erscheint das Kirchenblatt wöchentlich im gesamten Bereich der evangelischen Landeskirchen von Westfalen und Lippe.
Die Eigenständigkeit des als eingetragener Verein geführten Verlags ist Herausgeber und Chefredakteur Wolfgang Riewe besonders wichtig. Der westfälische Präses Alfred Buß sei zwar derzeit Vorsitzender des Vorstandes, nehme aber keinerlei Einfluss auf die Linie des Blattes, sagte Riewe dem WESTFALEN-BLATT.
»Unsere Kirche« verstehe sich als unabhängige Stimme, meinte er weiter. Sie begleite über Höhen und durch Tiefen, mache den evangelischen Standpunkt klar und fördere den kontroversen Dialog statt ihn bestimmen zu wollen.
Konkret wird das, wenn die allfällige Kürzung von Geldern aus öffentlichen wie aus kirchlichen Kassen nicht einfach nur beklagt wird. Mutmachende Beispiele werden dann gezeigt, wie etwa ein Kindergarten doch noch geführt werden kann. In gleich zwei große Reportagen berichtet die aktuelle Ausgabe über die neuen Familienzentren.
Über alle theologischen und kirchenpolitischen Standpunkte hinweg versucht »Unsere Kirche« nach eigener Darstellung seit 60 Jahren das Verbindende und Gemeinsame evangelischen Glaubens deutlich zu machen. Ein Schwerpunkt bis heute ist die wöchentliche Andacht, meist aus der Feder eines westfälischen oder lippischen Theologen.
1907, vor bald 100 Jahren, gründeten 20 Männer in einem Gasthaus in Witten den »Evangelischen Preßverband für die Provinz Westfalen und für das Fürstenthum Lippe e.V.«. Daraus ging der eigentliche Vorläufer von »Unsere Kirche«, das Sonntagsblatt »Friede und Freude« 1916 mit 30 Ausgaben hervor.
Nach dem II. Weltkrieg erteilte die britische Militärregierung in Bad Oeynhausen mit der Lizenz Nummer 66 die Zulassung, um am 30. Juni 1946 neu zu beginnen. Formal war die Bedingung erfüllt, dass mit dem vorgesehenen Chefredakteur Focko Lüpsen eine unbelastete Person für die Leitung zur Verfügung stand. Roland Rosenstock widerspricht in seiner Untersuchung »Evangelische Presse im 20. Jahrhundert« allerdings der »Legende«, wonach der von Lüpsen geführte Evangelische Pressedienst in der Nazizeit verboten worden sei und Lüpsen selbst in kritischer Distanz gegen das Regime gearbeitet habe.
Schon 1947 folgten die Informationszeitschrift »Evangelikale Welt«, der neu gestartete Evangelische Pressedienst, der Luther- und der Eckhart-Verlag. Die Auflage von »Neue/Unsere Kirche« mit 250 000 Exemplaren in den Nachkriegsjahren, die baldige Umstellung auf wöchentliche Erscheinungsweise und der wachsende Umfang entsprachen dem großen Informationsbedürfnis jener Zeit. Damals ging es vor allem auch darum, den unterschiedlichen Frömmigkeitsprägungen und theologischen Richtungen in den Regionen Rechnung zu tragen. Bis heute fasst der Westfalen-Teil oft ähnliche Debatten mit unterschiedlichsten Gewichtungen für alle Kirchenregionen zusammen.
Bis heute liegt die Stärke vor allem in den 13 Regionalteilen, die maßgeschneidert vor Ort informieren. Konnten früher sogar noch Erträge erwirtschaftet werden, ist man heute froh, dass »Unsere Kirche« 80 Prozent der Kosten aus Anzeigen und Abo-Erlösen erwirtschaftet.
1968 übernahm Gerhard Stoll für 25 Jahre das Amt des Geschäftsführenden Direktors. Von 1993 bis 1996 leitete Professor Michael Schibilsky das Blatt. Seit dem steht der aus Gütersloh stammende Theologe und Journalist Wolfgang Riewe an der Spitze des Evangelischen Medienhauses in Bielefeld-Brackwede.

Artikel vom 29.06.2006