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Guantánamo bleibt

Europa und seine Höflinge


Was ist sie wert, die »grundsätzliche Bereitschaft« des US-Präsidenten zur Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo?
Antwort: Gar nichts. Wollte George W. Bush dieses Symbol US-amerikanischer Menschenrechtsverletzungen im Namen des Antiterrorkampfes aus der Welt schaffen, er hätte es schon längst tun können. Bushs Einlassung beim EU-Gipfel in Wien, er werde gefährliche Gefangene nicht einfach in die Freiheit entlassen, bedeutet nichts anderes als ein knallhartes Nein. Im übrigen spricht aus dieser Auskunft eine klare Missachtung seiner transatlantischen Partner.
Wäre den seit vier Jahren - nennen wir es - »internierten« 460 Männern irgendetwas nachzuweisen, die Prozesse könnten längst abgeschlossen sein. »Einige müssen angeklagt werden, sie sind kaltblütige Killer« sagt Bush und bestätigt, dass es Unschuldige gibt auf Guantánamo.
Mit welch kleiner Münze wird in Europa eigentlich Politik gemacht? Da kündigt der österreichische Ratspräsident Wolfgang Schüssel im Vorfeld schlagzeilenträchtig an, er werde Guantánamo beim amerikanischen Präsidenten ansprechen. Und wenn die Begegnung dann vorbei ist, rechnen es sich Schüssel und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso als Erfolg an, dass Bush von sich aus das ach so kritische Thema angesprochen hat. Höflinge dieser Art kann Europa nicht gebrauchen.
Reinhard Brockmann

Artikel vom 22.06.2006