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Marie v. Ebner-Eschenbach

»Das Wort ÝDer Klügere gibt nachÜ begründete die Weltherrschaft der Dummheit.«

Leitartikel
Irrlichter und Zerrbilder

»... bis kein Bürgerkrieg mehr ist«


Von Rolf Dressler
»Irakische und amerikanische Truppen haben am Montag bei einer Razzia in Bakuba, 60 Kilometer nordöstlich von Bagdad, vier Mitglieder einer Familie getötet. Nur unweit davon war kurz zuvor der jordanische Terroristen-Anführer Abu Mussab al-Sarkawi bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen.«
»Ebenfalls am Montag starben sechs Mitarbeiter einer Ölfirma in einem südlichen Vorort Bagdads, als unter ihrem Fahrzeug ein Sprengsatz explodierte.«
Selbst eine unterkühlte Nachrichtensprache wie in diesen Textbeispielen vom 12. Juni 2006 beleuchtet grell das alltägliche Schreck- ensgeschehen in dem heimtückischen Krieg, den zu allem entschlossene »heilige islamische Krieger« gegen die verhasste US-Besatzungsmacht führen. Zugleich spiegelt sich darin wider, wie die unheilvolle Spirale von Gewalt und Gegengewalt immer höhere Drehzahlen erreicht.
Ganz ähnliche Bilder muss die Welt seit Jahr und Tag weitgehend ohnmächtig zwischen Palä- stinensern und Israelis mitansehen. Dennoch ist da wie dort ein Ende des Horrors nicht in Sicht noch gar eine Bereitschaft, Frieden zu schließen und Frieden zu halten in einer zerrütteten Region, in der Todfeindschaft noch immer der Vernunft und jedem Versöhnungswillen entgegensteht.
Hier in Europa indes gewinnt die Phalanx der Uninteressierten und der lässig-lockeren Ignoranten sogar noch stärkeren Zulauf. Die amtliche Politik übt sich in gewundenen Unverbindlichkeiten. Mal ein bisschen Mahnung zur Mäßigung an die »Streithähne« im Nahen Osten, dann wieder ein paar wohlfeile Worte über die Gefährdungen des Weltfriedens an sich und im besonderen. Man traut sich ja sonst nichts.
Und speziell hier in Deutschland tut dann ja auch noch eine Be- sonderheit ihre Wirkung: die grassierende Schadenfreude darüber, dass »die Amis« im Irak kräftig et- was auf die Nase bekommen. Ob sie sich ganz offen äußert oder viele sie nur klammheimlich ausleben, die Antipathie durchzieht sowohl geschliffene Intellektuellen-Reden als auch dröhnendes Kneipen-Gerede.
Eine sonderbar große Koalition, die ihren eigenen ungeschriebenen Gesetzen folgt und sich in einem einig ist: dass »die Amerikaner« - und vorneweg natürlich der Bösewicht George W. Bush - an fast allem Unglück und Elend dieser Welt schuld seien. Also nicht etwa die aktuellen und verflossenen Tyrannen und Massenmörder Afrikas, Asiens und eben des Irak, sondern jene an- geblichen »Kreuzzügler der Neuzeit« unter dem Sternenbanner, die ihre angeblich durchweg fin-steren Pläne in der Washingtoner Weltmacht-Zentrale aushecken.
Schwer vorstellbar, dass dieses Zerrbild vor der Geschichte Bestand haben wird, etwa nach dem Abzug der Amerikaner aus dem Irak. Dann allerdings würde sich für Moslem-Kämpfer die Sure 8,40 des Koran erfüllen: »Und kämpfet wider die Ungläubigen, bis kein Bürgerkrieg mehr ist und alles an Allah glaubt«.

Artikel vom 13.06.2006