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Berliner
Luft
geschnuppert
von
Friedrich-Wilhelm
Kröger


Na endlich: Der Weltmeister läuft auf. Für Brasilien wird heute erstmals der Rasen in Berlin ausgerollt, der sich wie ein roter Teppich anfühlt. Jede WM-Stadt hätte diese Mannschaft gern zu Gast. Ein »Heimspiel« haben 2000 brasilianische Bürger, die als Einwohner registriert sind.
Hier sind Menschen aus allen Teilnehmerländern zu Hause. Weltmeister ist Polen mit 40 787 Berlinern, es folgen Serbien-Montenegro (24 757), Italien (13 804) und die USA (12 556). Am Ende teilen sich Paraguay und Trinidad-Tobago (je 49) den 30. Rang. Zusammen stellen die 31 Gastnationen 172 209 Hauptstädter. Party wird überall gemacht, und auch da sind die Brasilianer titelverdächtig. Es gibt Clubs und Kneipen, in der die Siege der Seleçao lauter gefeiert werden als anderswo.
Die Spieler könnten sich von Landsmann Marcelinho ausführen lassen, der mit seinem Hang zum süßen Leben schon Hertha BSC in Katerstimmung versetzte. Es würde auch Brasiliens Trainer Carlos Alberto Parreira kaum gefallen, wenn Marcelinho sein Insider-Wissen beim Weltmeister verbreitet.
Nicht einmal sportlich durfte sich der Berlin-Legionär aus Südamerika für sein Land betätigen, dafür kümmert er sich um die Stadtpflege seiner Wahlheimat. Dass Marcelinho auf Leuchtwänden an einigen Straßenecken einen derben Anzug in Orange und Arbeitshandschuhe trägt, kommt nicht von ungefähr: Als Müllentsorgungskraft piekst er gerade Unrat auf und droht allen, die es achtlos wegwerfen: »Willst du meinen Respekt - dann tritt es in die Tonne.«
Was wieder zur Fußball-Weltmeisterschaft führt: Wer kann seine Hoffnungen in die Tonne treten? Sowas ist auch in Berlin vorstellbar, der Stadt der positiven Energie. Deutschland und Ecuador, Schweden und Paraguay, die Ukraine und Tunesien treffen im Olympiastadion aufeinander. Erst einmal aber fordert Kroatien Titelverteidiger Brasilien heraus. Das Duell auf dem Einwohnermeldeamt gewinnt der Außenseiter mit 11 517 zu 2134 klar. Wie das so ist als Tabellenfünfter gegen den Tabellensiebzehnten.

Artikel vom 13.06.2006