08.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

EU kämpft gegen Alkohol

Kommission will Missbrauch eindämmen - Werbeverbot im Gespräch

Von Wolfgang Schäffer
Bielefeld/Hamm (WB). Noch in diesem Jahr will die Europäische Kommission eine länderübergreifende Alkoholstrategie verabschieden, um dem Missbrauch vorzubeugen. Werbe- und Sponsorverbote sind ebenso im Gespräch wie Warnhinweise auf den Flaschenetiketten.

Einer Experten-Analyse zufolge sterben europaweit jährlich 115 000 Menschen an den Folgen von Alkohol. Unfallschäden, Kriminalität, Aufwändungen für Gesundheitsversorgung sowie verloren gegangene Produktivität aufgrund von Alkoholkonsum verschlingen jedes Jahr um die 125 Milliarden Euro (1,3 Prozent des Bruttosozialprodukts), ist in dem Bericht für die EU festgehalten. »Alkoholmissbrauch ist eine schwere ökonomische und soziale Bürde in Europa«, kommentiert der Bielefelder Rolf Hüllinghorst, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm, den Bericht. Alkohol sei derzeit verantwortlich für mehr als sieben Prozent aller Gesundheitsstörungen und vorzeitigen Todesfälle in der EU. Damit stelle der Stoff das dritthöchste Risiko für Krankheit und Tod dar.
Gleichwohl zeige der Bericht auch, dass Alkohol Hauptverursacher von Leid von Dritten sei. Hüllinghorst: »Gemeint sie dabei in erster Linie mindestens 60000 Kinder, die mit Untergewicht geboren werden, und neun Millionen Kinder, die in Familien leben, die negativ vom Alkohol beeinflusst sind. Dazu kommen europaweit im Jahr mehr als 10 000 Todesfälle von Beifahrern oder anderen Verkehrsteilnehmern, die durch Alkohol am Steuer verursacht werden und 2000 Gewalttaten mit tödlichem Ausgang aufgrund von Alkoholeinfluss.«
Nach Ansicht des DHS-Geschäftsführers könnten mit einer Erhöhung der Alkoholsteuer in der EU um zehn Prozent mehr als 9000 Todesfälle im Jahr darauf verhindert werden. Eine Verteuerung alkoholischer Getränke sehen auch die EU-Experten als eine entscheidende Maßnahme, dem Missbrauch Einhalt zu gebieten. Daneben aber müssten die Etiketten auf Behältnissen mit alkoholischen Inhalten Warnungen der Gesundheitsbehörden enthalten, die - ähnlich wie bei Tabakwaren - auf entsprechende Gefahren hinweisen.
»Europaweit sollte ein Minimalsystem zur Lizenzierung des Verkaufs alkoholischer Getränkeeingeführt werden«, heißt es in der EU-Analyse weiter. Zudem empfehlen die Fachleute strengere Strafen für Händler von Alkohol (bis hin zur Schließung der Betriebe), wenn sie solche Getränke an Personen unterhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestalters verkaufen.
Werbung für alkoholische Produkte sollte auf längere Sicht komplett aus Fernsehen und Kino verbannt, Sponsoring generell untersagt werden. »Eine abgestimmte Alkoholpolitik in der EU wird den Interessen der öffentlichen Gesundheit und dem gesellschaftlichen Wohlergehen dienen«, mahnt die Analyse unbedingt gemeinsames Handeln an.
Allein in Deutschland sind nach DHS-Angaben derzeit 1,7 Millionen Menschen alkoholabhängig, 10,4 Millionen Menschen konsumieren Alkohol in riskanten Mengen.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 08.06.2006