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Angolaner für Überraschungen gut

Die Celler haben ihre WM-Gäste lieb gewonnen - Sonntag gegen Portugal

Von Dirk Schuster (Text und Foto)
Celle (WB). Zugegeben: Marienfeld ist mehr Portugal als Angola Celle ist. Aber auch die Niedersachsen haben den in ihrer Stadt logierenden WM-Teilnehmer fest ins Herz geschlossen. Am Sonntag (21 Uhr) treffen beide Teams in Köln aufeinander.

500 Fußballfans lockte das erste öffentliche Angola-Training gestern ins Celler Günther Volker-Stadion. Zum Dank entschied sich die Mannschaft hinterher zu einer spontanen Autogrammstunde. »Das ist unter allen WM-Teilnehmern bisher einmalig«, freute sich Alexander Hass. Der Leiter Veranstaltung und Events in der Region Celle ist gestern nicht das erste Mal von seinen Gästen aus Afrika überrascht worden. Vorsichtig formulierte Hass, die Angolaner verfügten über ein »etwas anderes Zeitgefühl als wir Deutschen«. Nicht selten müssten Termine kurzfristig verlegt werden. Doch allen Umständen zum Trotz: Die Offiziellen der Stadt Celle geben sich Mühe, die Extrawünsche ihrer Gäste zu erfüllen. Und das fast immer mit einem Lächeln. So wie Alexander Hass' Mitarbeiter Markus Motzek, der auf Journalistenfragen nach dem Tagesablauf beim öffentlichen Training gestern antwortete: »Wer weiß das schon? Ich bin entspannt und lasse mich selbst überraschen, was der Tag so bringt.« Es scheint, als habe die afrikanische Gelassenheit bereits auf die Celler Offiziellen abgefärbt.
Susanne Ostler, Chefin des Ringhotels Celler Tor, in dem die Angolaner untergebracht sind, hat sich längst an die Lebensweise ihrer Gäste gewöhnt. »Sie sind nicht so organisiert, wie wir das vielleicht gern hätten. Aber dafür sehr umgänglich, immer freundlich und vor allem fröhlich.«
Trainer Luis Oliveira Goncalves wirkte gestern sehr konzentriert, ließ sich von den vielen Fans nicht aus der Ruhe bringen. Erst als er nach Trainingsende ans Mikrofon gebeten wurde, entspannte sich der Coach. Offensichtlich auch deshalb, weil die Celler Tourismus-Angestellten die Angolaner mit druckfrischen Autogrammkarten ausstatteten. »So etwas Tolles habe ich ja noch nie gesehen«, lachte Goncalves. Er meinte das ernst. Denn ein klein wenig wirken die Angolaner so, als könnten sie den deutschen WM-Hype noch immer nicht richtig einordnen. 8200 Zuschauer hatten ihr erstes Testspiel im Günther Volker-Stadion verfolgt - gegen eine Celler Stadtauswahl wohlgemerkt.
In Celle ist etwas zusammengewachsen. »Angola ist unser Team, wir haben sie lieb gewonnen«, sagte WM-Beauftragter Bernd Nitsche stellvertretend für viele Bürger. Das letzte Wort nach einer gelungenen Trainingseinheit hatte Trainer Goncalves. Nach 15 Minuten fleißigen Autogrammeschreibens sagte er: »So, jetzt ist aber Schluss. Ein paar von denen brauchen wir ja noch, wenn wir das Finale erreicht haben.« Ob er das auch ernst gemeint hat?

Artikel vom 08.06.2006