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»JJ1« verhält
sich fast normal

Bär soll in eine Spezialfalle tappen

München/Ehrwald (dpa). Unstet wandert der junge Braunbär »JJ1« mit dem Spitznamen »Bruno« zwischen Deutschland und Österreich hin und her. Das Tier reißt mehr Schafe, als es fressen kann und kehrt nie - wie andere Bären - zu seiner Beute zurück, um sie vollends zu verspeisen.

Was die Behörden am meisten beunruhigt: »JJ1« wagt sich äußerst nah an von Menschen bewohnte Orte heran. Doch laut Experten verhält sich der »Problembär« gar nicht so anormal, wie es auf den ersten Blick scheint: Tatsächlich sucht er Anschluss an seinesgleichen, und an seiner Dreistigkeit haben vor allem die Menschen selbst schuld, die ihn mit falschen Methoden erzogen haben.
In der Nacht zum Dienstag schlug der Braunbär erneut zu: Im österreichischen Leutasch plünderte er einen Hasenstall. In der selben Nacht wollen Jugendlichen Meister Petz auf einer Straße an der deutsch-österreichischen Grenze nach Leutasch gesehen haben. Am Pfingstmontag hatte sich eine Hamburger Touristin bei der Polizei gemeldet: Sie habe das Tier, das mehr als 100 Kilo wiegt und aufgerichtet zwei Meter misst, am helllichten Tag nahe dem österreichischen Grenzort Ehrwald gesehen, berichtet ein Polizeisprecher.
Spuren des Bären wurden an der Stelle später nicht gefunden, dennoch gibt es keine Zweifel, dass das Tier wenig Scheu vor menschlichen Siedlungen hat. An Pfingsten riss er drei Schafe nur wenige Meter von bewohnten Häusern entfernt, einen Tatzenabdruck hinterließ er nur einen Meter von einer Hauswand entfernt. Drei weitere Schafe tötete er am bayerischen Lautersee und tappte schließlich nur wenige Meter an der Lautersee Alm vorbei, in die tagsüber häufig Wanderer einkehren.
Nun soll das Tier mit einer neuen Spezialfalle aus den USA eingefangen werden. Die Umweltstiftung WWF hatte die Falle bei einem amerikanischen Spezialisten in Auftrag gegeben. Tappe der Bär hinein, könne er wohlbehalten in ein Wildgehege gebracht werden, hieß es. Noch in dieser Woche sollen zudem finnische Bärenjäger im Auftrag des bayerischen Umweltministeriums mit ihren speziell geschulten karelischen Bärenhunden auf die Pirsch gehen.
»Normalerweise legt ein Bär zehn Kilometer im Schnitt täglich zurück, nach unseren Erfahrungswerten sind es bei diesem 30 bis 50 Kilometer«, erläutert der Sprecher des bayerischen Umweltministeriums, Stephan Niederleitner. Außerdem reiße er mehr Tiere als »normale« Bären. »Ein Bär deckt nur ein Viertel seines Nahrungsspektrums mit Fleisch ab, ansonsten frisst er Beeren und Wurzeln.«
Experten attestieren »Bruno« ein gar nicht so ungewöhnliches Verhalten. »Es ist, wie wenn man vor dem Büfett steht und sich den Teller zu voll häuft«, erklärt der Sprecher der Umweltstiftung WWF, Jörn Ehlers. Ein Fuchs wüte im Hühnerstall ebenfalls so lange, bis alle Tiere tot seien - obwohl er am Ende nur eines mitnehme.
Auch der Wandertrieb des Bären sei zu erklären. »Er macht das nicht aus Spaß an der Freud«, unterstreicht Wölfl. »Er sucht eine andere Bärenpolulation und Anschluss an andere Bären - solange er keine anderen Bären findet, wird er weiter wandern.«

Artikel vom 08.06.2006